Dennoch finden diejenigen, die die Kulissen bauen, Hintergründe malen und Requisiten herstellen nur selten die Anerkennung, die ihrer Arbeit gebührt. Zum umfangreichen Aufgabenbereich der Bühnenmalerinnen und -plastiker „zählt allgemein das Anfertigen von Modellen, technische Zeichnungen, das Bearbeiten von Oberflächen und Untergründen, Anfertigen von Schriften und Malereien.“ Darüber hinaus im Bereich „Plastik“ speziell die Auswahl und Anwendung von Werkstoffen und Techniken für das Herstellen von plastischen Elementen, „Kopieren und Imitieren, das Anwenden von Klebe- und Verbindungstechniken sowie das Vervielfältigen von plastischen Elementen“. Im Bereich „Malerei“ der Umgang mit Farben, „die Abstimmung auf die Beleuchtung, das Anfertigen von Kopien und Imitaten und das Herstellen von Bühnenmalerei.“
Quellen der Inspiration: Bücher bei boesner
Bücher beflügeln unser Wissen von der Welt, unsere Gedanken, Vorstellungen und Bilder. Sie sind eine schier unerschöpfliche Quelle der Inspiration für Kunstschaffende und Kunstbegeisterte. Deshalb haben sie auch einen besonderen Platz im boesner-Sortiment. Entdecken Sie unsere vielfältige Buchauswahl und lassen Sie sich von inspirierender Kunstliteratur begeistern. Im boesner Online-Shop finden Sie eine große Bandbreite an Büchern über verschiedene Malmedien, Genres, Stile, Techniken, Künstlerinnen und Künstler. Unsere Bücher bieten nicht nur Inspiration, sondern auch praktische Anleitungen in gedruckter Form. Egal ob Sie sich für Ölmalerei, Aquarellmalerei, Zeichnen und Skizzieren oder Acrylmalerei interessieren − bei uns werden Sie fündig.
Unser Buch des Monats
Spezialisten der Materialkunde
Bühnen gibt es nahezu überall: Ob klassische Kulissen für Theater, Film und Fernsehen oder die perfekte Geometrie des Messebaus, ob aufwendige Kostümplastiken für Werbung und Show oder Realisationen für Konzeptkünstler – Bühnenplastik und Bühnenmalerei lassen sich auf allen erdenklichen Bühnen finden. Kultur, Kunst und Show brauchen dieses besondere Handwerk und sein Know-how, um ihre Events perfekt in Szene zu setzen.
Im anschließenden Kapitel „Praktische Arbeitstechniken“, zeigt Julie Louise Speck auf fast 300 Seiten ausführlich, wie diese Werkstoffe angewendet werden. Die Vermittlung der Arbeitstechniken, die sowohl das Berufsfeld der Bühnenplastik als auch der Bühnenmalerei betreffen, sowie der Ausbau von Fähigkeiten stehen hier im Mittelpunkt. Dabei, so die Kapiteleinleitung, sind „die Anwendungstechniken (…) den klassischen Methoden im Bereich des Kulissenbaus entlehnt (…) und sollen auch niemals eine Begrenzung der Kreativität darstellen (…).“ Vielmehr sollen sie als Hilfestellung und Nachschlagewerk dienen. Themen sind unter anderem Übertragungstechniken, die Graumalerei, die Grundlagen der Farbgestaltung, Materialimitation wie Holz, Fels, Beton, Marmor, rostender Stahl usw. oder Formbauvarianten und Anleitungen zum plastischen Gestalten, etwa das Modellieren, das Schnitzen in Styropor, Kostümbau, Beflocken, Vergolden, Lackieren, Spachteln, und Vieles mehr. Eine Aufgliederung in die spezifischen Inhalte der Fachrichtungen „Plastik“ und „Malerei“ runden das Kapitel ab.
Diese Beschreibung des Berufsbildes stammt von Julie Louise Speck. Die Bühnenplastikerin und -malerin möchte das Ansehen dieses vielfältigen Berufs ändern – und auf diese Weise auch dessen Zukunft wahren. Deshalb hat sie das Lehrbuch „Praktische Grundlagen der Bühnenplastik und Bühnenmalerei. Einführung, Werkstoffe, Arbeitstechniken“ geschrieben. Auf gut 450 Seiten vermittelt sie erstmals die praktischen Grundkenntnisse der Bühnenplastik und Bühnenmalerei und die Kniffe ihres Handwerks. Auch auf die Projektvorbereitung und -kalkulation geht die Autorin ein. Sie selbst hat in den Werkstätten der Volksbühne in Berlin gelernt und wechselte nach einigen Jahren in der Selbstständigkeit 2019 an den Berliner Friedrichstadt-Palast, wo sie Leiterin der Bühnenplastik und als Ausbilderin tätig ist.
Schon beim Durchblättern des Buches wird deutlich: Bühnenplastiker und -malerinnen sind „Spezialisten der Materialkunde: Wir eignen uns ein großes Allgemeinwissen über Werkstoffe an und sind neugierig auf jedes neue Material, das wir kennenlernen. Wir besitzen die Fähigkeit der plastischen Gestaltung (Bildhauerei) und der Kunstmalerei sowie der Illusionsmalerei, um Materialien zu imitieren,“ stellt Julie Louise Speck fest.
„Die durchschnittliche Theaterwerkstatt ist heutzutage mit bestimmten Grundwerkstoffen ausgestattet: in der Malerei finden wir Baumwollnessel und Stofffarben, Lacke und Dispersionen und eine Vielfalt an Pinseln. In der Plastik sind es große Styroporblöcke, eine Bandsäge, eine große Auswahl an Klebstoffen, sowie Strukturmassen, Gips und Ton,“ ist in der Einleitung zum Kapitel „Werkstoffe“ zu lesen. Es spannt den Bogen von Textilien und Holz über Kunststoffe und Farben bis hin zu plastischen Massen, Putzen und Füllern. Darüber hinaus gibt es Tipps zur Handhabung oder zur passenden Literatur sowie Infos zu Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit.
Zum Abschluss des Buches stellt Julie Louise Speck vier Projektbeispiele vor, bei denen sie „auf die klassischen Abläufe der Projektentwicklung, die Arbeitsplanung und Durchführung sowie auf unterwegs auftretende Probleme und deren Lösung“ eingeht. Gezeigt werden die Fertigung eines Babykrokodilkostüms (Kostümplastik), eine Felsenhöhle aus dem Kunststoff Polystyrol (Kulissenbau), ein halbtransparentes überdimensionales Bühnenbild nach Carl Spitzweg (Prospektmalerei) und das berühmte „Courage“-Huhn von Eduard Fischer (Theaterrequisiten).
„Praktische Grundlagen der Bühnenplastik und Bühnenmalerei" ist ein umfassendes Nachschlagewerk, das die wichtigsten Materialien und Arbeitstechniken des Berufs anschaulich in Wort und Bild vorstellt. Das kompakte, als Klappenbroschur eingebundene und von Julie Louise Speck im Eigenverlag hochwertig publizierte Buch überzeugt auch gestalterisch. Es ist reich illustriert, sehr übersichtlich aufgebaut und übersichtlich gestaltet. Die Fadenbindung stellt sicher, dass die Publikation auch nach vielfachem Zurateziehen nicht auseinanderfallen wird. Ein unentbehrliches und bislang konkurrenzloses Handbuch für alle, die sich kreativ auf dem Gebiet der Bühnenplastik und Bühnenmalerei bewegen wollen. Auch Kunstschaffenden im Bereich Bildende Kunst sei es aufgrund der Vielfalt an Werkstoffen, Techniken und Ideen empfohlen.
Titel jetzt bestellenBibliografische Angaben:
Julie Louise Speck: Praktische Grundlagen der Bühnenplastik und Bühnenmalerei. Einführung, Werkstoffe, Arbeitstechniken, 454 S., zahlr. farb. Abb., 17 x 22 cm, kart., dt, Verlag Julie Louise Speck 2023
ISBN 9783000759901
VK 60,00 Euro (D)/ 60,00 Euro (AT)
Copyright-Nachweis Bilder:
Abbildungen aus dem Innenteil des Buches, Verlag Julie Louise Speck 2023
Bühnenbildnerei <-> Bühnenplastik und -malerei
Julie Louise Specks Buch behandelt die Grundlagen der „Bühnenplastik und Bühnenmalerei“. Das ist ein eigenständiges Berufsbild, das sich von dem der Bühnenbildnerei grundlegend unterscheidet. Die Bühnenbildnerei ist eine eher theoretische Auseinandersetzung mit den Inhalten, die aufgeführt werden, mit deren Analyse und Interpretation. Die praktische Umsetzung der Ideen, die sich daraus ergeben, erfolgt durch die Bühnenplastiker und Bühnenmalerinnen in den Werkstätten. Die Bühnenbildner sind somit im übertragenen Sinne die Auftraggeber der Bühnenplastikerinnen und -maler.
Julie Louise Speck über ihr Buch und die Ausbildungssituation im Bereich Bühnenplastik und -malerei
Julie Louise Speck ist seit 2019 am Berliner Friedrichstadt-Palast Leiterin der Bühnenplastik und Ausbilderin. Alle drei Jahre bietet sie dort eine Lehrstelle an. Zuletzt bekam sie dafür rund 140 Bewerbungen. Mangelndes Interesse ist es also nicht, was sie das Aussterben ihres Handwerks fürchten lässt, vielmehr ist es der Mangel an Ausbildungsstätten. Außerdem arbeiten viele ihrer Kolleginnen und Kollegen freiberuflich und kommen damit nicht als Ausbilder infrage. Um das Ansehen ihres vielfältigen Berufes und seine Zukunft zu wahren, hat Julie Louise Speck deshalb ein „Handbuch zum Beruf“ geschrieben. Wir haben sie gefragt, warum ihr das ein so großes Anliegen ist.
boesner (b): Sie nennen Ihre Publikation „Praktische Grundlagen der Bühnenplastik und Bühnenmalerei“. Was macht diesen Beruf aus?
Julie Louise Speck (JLS): Die Arbeit der Bühnenplastik und der Bühnenmalerei beginnt mit der praktischen Umsetzung der Bühnenbilder in den Werkstätten. Sie ist meist gekoppelt an Tischlerei und Schlosserei, sowie an den Theaterberuf der Dekorateure. Als Bühnenplastikerin am Theater bekomme ich in der Regel genaue Vorgaben, Entwürfe oder technische Zeichnungen, nach denen ich die Kulissenteile baue. Ich arbeite also nicht frei, sondern meistere das Vergrößern und Kopieren von Vorlagen.
Die Kreativität in der Bühnenplastik liegt eher in der freien Wahl der Techniken und Werkstoffe. Und weil die Kreativität der Entwicklung neuer Visionen grenzenlos ist, sind es auch die Bauweisen. Jedes Projekt ist anders und selbst nach 15 Jahren Berufserfahrung immer wieder neu. Je mehr Materialien und Techniken wir kennen, desto breiter gefächert sind unsere Möglichkeiten. Das bedeutet: Man lernt nie aus.
(b): Warum haben Sie sich für die Bühnenplastik und Bühnenmalerei entschieden?
(JLS) Nach meinem Schulabschluss war mir klar, dass ich künstlerisch-praktisch arbeiten möchte. Die Bühnenplastik und -malerei war schon früh mein Traumjob. Allerdings wusste ich damals nicht, dass es diesen Beruf gibt! Ich bewarb mich also erst für den zukunftsträchtigen Zweig der 3D-Animation und des digitalen Character Design. Bei meinem ersten Praktikum stand ich plötzlich in einer Werkstatthalle für Puppen und Filmeffekte, das war der zweite Zweig der Firma. Dort lernte ich eine Bühnenplastikerin kennen und so auch den Beruf. Ich wusste vom ersten Tag an, dass er perfekt für mich ist.
(b): Wieso ist es so schlecht bestellt um die Ausbildungssituation?
(JLS) Die Ausbildung wird vorrangig an den Werkstätten staatlicher Theater und Opern angeboten, da sich private Betriebe oder Selbstständige eine ausbildende Situation nicht leisten können. Doch bei steigenden Mieten und sinkenden Subventionen fällt es auch Theaterbetrieben deutschlandweit schwer, den Betrieb einer eigenen Werkstatt zu rechtfertigen. Die Idee, die Werkstätten aufzulösen und den Kulissenbau als Auftrag an externe Betriebe auszulagern scheint plausibel, ist aber ein Trugschluss. Das fällt aber erst dann auf, wenn die ständig verfügbaren Fachkräfte wegfallen und auch die direkten, kurzen Kommunikationswege zwischen Gewerken sowie Regie, Technik und Werkstatt. Trotz der Sparmaßnahmen wird der Anspruch jedoch nicht niedriger. Theater, Film, TV und jegliche Dekorationsbauten für diverse Freizeitangebote (Themenhäuser oder -parks) sprießen aus dem Boden. Was unseren Beruf angeht, sterben vielleicht staatliche Werkstätten aus, aber nicht die Jobs! Es wäre also an der Zeit, die Ausbildung für diesen Beruf zu sichern und beispielsweise erstmals Ausbildungsbetriebe zu schaffen. Wenn ich träumen dürfte, gäbe es auch eine Kooperation mit den Studiengängen des Bühnenbilds und den Filmuniversitäten - so könnten bereits junge Bühnenbildende mit jungen Kunsthandwerkenden zusammenkommen und bedeutende Projekte schaffen.
(b): Auch um die Ausbildungsliteratur in diesem Bereich steht es scheinbar nicht gut. Zieht hier das eine das andere nach sich?
(JLS): Um ehrlich zu sein, ist es fast unmöglich, in diesem intuitiven Kunsthandwerk Ausbildungsliteratur zu schreiben. So viele Techniken und Werkstoffe sind austauschbar und so individuell, dass es viel um Vorlieben geht. Oft führen 10 unterschiedliche Wege zum gewünschten Ziel. Mein Handbuch vermittelt Techniken, die sich in der Praxis bewähren konnten bzw. schon seit Generationen überliefert werden. Da wir im Kulissenbau viele Werkstoffe zweckentfremden, um bestimmte Effekte zu erzeugen, war es mir wichtig, auch Marken und Hersteller zu nennen, die sich erfahrungsgemäß am besten eignen. Es muss ja nicht jeder einzelne alle Spachtelmassen ausprobieren. Da hilft eine Tabelle im Buch. Eine andere Tabelle zeigt, welcher Kunststoff sich für welches Tiefziehprojekt eignet. Das fertige Buchmanuskript habe ich an acht Berufskollegen weitergeleitet, welche es mit ihren eigenen Tipps und Erfahrungen ergänzt haben. Somit ist es wie ein Sammelwerk aus Erfahrungswerten. Ich habe das Buch auch geschrieben, um Techniken und komplexe Anleitungen zu protokollieren, mittlerweile benutze ich es oft selbst als Nachschlagewerk.
(b) Fürchten Sie das nicht, dass die zunehmende Digitalisierung, Animationen, KI und die Technik des 3-D-Druckens den Bedarf an Bühnenplastikern und -malerinnen zurückdrängen?
(JLS): Das denke ich nicht. Das Handwerk kann in diesem Umfang nicht ersetzt werden, da es nicht gänzlich digitalisiert werden kann. Ein Kulissenteil besteht schnell mal aus 30 unterschiedlichen Werkstoffen und muss günstig und schnell gebaut werden. Dafür sollte man sich vor keiner helfenden Technik verschließen, aber dass unser Handwerk ersetzt werden kann, schließe ich noch für viele Jahre aus. Und ich gehe nicht davon aus, dass es ersetzt werden soll!
(b): Ihr „Handbuch zum Beruf“ zeichnet sich durch eine vielfältige und umfassende Materialkunde aus. Ist diese auch für Bildende Künstler*innen interessant?
(JLS): Die Anforderungen, die die Produktionen in unserem Beruf auszeichnen, sind immer dieselben: niedrige Kosten, schnelle Bauweise, leichtes Gewicht. Und weiter: bevorzugt ökologisch nachhaltig, toxikologisch unbedenklich, modular. Ich kann mir vorstellen, dass diese Faktoren auch dem Schaffen vieler Bildenden Künstler*innen entsprechen. Also ja, selbstverständlich! Das Buch ist ein Sammelwerk von unzähligen Werkstoffen und Techniken, die im Werkstoffeglossar vorgestellt werden, das immer auch Verarbeitungstipps, nachhaltige Alternativen und Arbeitsschutz beinhaltet. Vor allem in der Kunst entstehen Ideen oft erst mit den Möglichkeiten; also ist das Buch ein Weg zu vielen neuen Horizonten.