Ausstellung

Die Tricks der Meister

„Entdeckt!“ im Wallraf-Richartz-Museum schaut hinter die Kulissen der Kunst

„Natur und Kunstwerke lernt man nicht kennen, wenn sie fertig sind;
man muß sie im Entstehen aufhaschen, um sie einigermaßen zu begreifen.“
Johann Wolfgang von Goethe

„Kunst kommt von Können“ heißt es, und oft ist dieses Statement heftig umstritten. Doch angesichts berühmter Gemälde ist das Staunen ein ständiger Begleiter. Fast jeder kennt Fragen wie „Wie wurde das bloß gemacht?“ oder „Was steckt wohl dahinter?“ In musealen Präsentationen geben Beischriften Auskunft über Titel, Technik und Format, eventuell auch über den Weg, den ein Kunstwerk in seiner Lebensgeschichte zurücklegte. Doch meist reicht die bloße Anschauung nicht aus, um solchen Rätseln auf die Spur zu kommen. Nicht so im Kölner Wallraf-Richartz-Museum: Dort heißt es bis zum 13. Februar 2022 „Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet“: Die spektakuläre Präsentation von Forschungsergebnissen aus der Abteilung Kunsttechnologie und Restaurierung geht malerischen Tricks, verborgenen Geheimnissen und verblüffenden Techniken von Meistern wie Martini, Rubens, Rembrandt, Manet und Monet auf den Grund – ein faszinierender Blick hinter die Kulissen.

Die Kunsttechnolog*innen um Abteilungsleiterin und Kuratorin Iris Schaefer und die Co-Kuratorinnen Caroline von Saint-George und Anna Bungenberg untersuchten in den letzten zwanzig Jahren im Wallraf rund zweihundert Gemälde. Mit Röntgenstrahlen, Infrarot und Stereomikroskopen schauten sie behutsam nicht nur auf die Malschicht, sondern auch durch sie hindurch. Fokussierten die früheren Kölner Ausstellungen „Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam“ (2008) und „Die Geheimnisse der Maler. Köln im Mittelalter“ (2013/14) auf Wissen und Können einzelner Epochen, so wurde für „das jetzige Projekt nun gleichsam der Blick geweitet und den Kontinuitäten wie Innovationen der Maltechniken über einen Zeitraum von mehr als sechshundert Jahren nachgespürt“, betont Wallraf-Direktor Dr. Marcus Dekiert.

Anhand der Originalgemälde stellt die Schau Fragen und bietet Antworten: Welchen Einfluss hat das Material des Bildträgers auf die künstlerischen Techniken und welche Rolle spielt die Grundierung für die Wirkung eines Gemäldes? Wie war das Bild ursprünglich angelegt, was ist das Besondere am Farbauftrag und wie gingen Künstler*innen mit ihren Fehlern um? „Oftmals faszinieren uns Gemälde nicht nur durch ihre Darstellungen, ihre Kompositionen oder erzählten Geschichten, sondern auch dadurch, wie sie gemacht oder gemalt sind“, erläutert Iris Schaefer. „Handelt es sich wirklich nur um „ein bisschen Farbe, mit einer gewissen Kunstfertigkeit auf eine Tafel aufgebracht“, wie es schon im 14. Jahrhundert der berühmte italienische Schriftsteller Giovanni Boccaccio im Hinblick auf die Nachahmung der Natur durch die Malerei formulierte? Tatsächlich bestehen Gemälde nicht allein aus den gemalten Oberflächen, die wir sehen. Vielmehr sind sie vielschichtige Gebilde, die in einem stufenweisen Arbeitsprozess und unter Einsatz unterschiedlicher Materialien und Techniken geschaffen wurden.“

An diesem Entstehungsprozess orientiert sich der Ausstellungsrundgang: Er beginnt mit dem „Bildträger“, analysiert „Grundierung“, „Unterzeichnung“, „Farbauftrag & Malweise“ sowie „Korrekturen“ und endet mit dem Kapitel „Finale Schritte“. Neben Gemälden, Forschungsmaterial und Analysen präsentiert die Schau Filme sowie interaktive Animationen und lässt zeitgenössische Experten zu Wort kommen.

Der Malgrund steht im Blickfeld der ersten Sektion, die – ungewöhnlich genug – mit der Rückseite eines Gemäldes beginnt: Über Jahrhunderte hinweg war Holz der beliebteste Untergrund. Welches Holz wurde verwendet, welche Qualitäten musste es mitbringen und wer fertigte die Bildträger an? Abgelöst wurden die Tafeln allmählich durch die flexibleren Leinwände, die leicht zu transportieren waren und wegen ihrer maltechnischen Eigenschaften bevorzugt wurden. Papier, Karton und Pappe hingegen galten seit jeher als idealer Träger für Entwürfe, Studien und Skizzen. Metall, insbesondere Kupfer, war vor allem wegen seiner glatten Oberfläche beliebt, und Steinplatten oder Zink gehörten zu den seltener, aber eben auch genutzten Malgründen für spezielle Anforderungen.

Üblicherweise bleiben sie verborgen, doch im zweiten Ausstellungskapitel haben Grundierung und Imprimitur ihren eigenen Auftritt. Auf Leim- oder Ölbasis, dick und elastisch als Träger für kostbar punzierte Goldgründe oder farbig auf die finale Fassung des Werks hin kalkuliert: Dank der Untersuchungen im kunsttechnologischen Atelier werden die Vorbereitungen des Malgrundes greifbar. Während das Durchleuchten des Werks mit Röntgenstrahlen Informationen über die Konstruktion des Bildträgers, die Farbschichten, die Malweise und Korrekturen erlaubt, ermöglichen Infrarotstrahlen einen einmaligen Blick unter jahrhundertealte Malschichten. Wenn ein Werk gar unvollendet die Zeiten überdauerte, wie etwa die Drei Männer und ein Junge der Brüder Le Nain aus der National Gallery in London, wird die tragende Rolle des Untergrundes direkt deutlich: Hier wurde die graue Grundierung in die Malerei der Inkarnate einbezogen. Die verschiedenen Techniken konnten über die Jahrhunderte nebeneinander bestehen, und es „entwickelte sich im Laufe der Zeit eine erstaunliche Bandbreite und Kombinationsfülle an Grundierungstechniken, die unter anderem auch mit stilistischen Entwicklungen verknüpft waren“, so Iris Schaefer.

Kohlestifte, Feder, Kreiden, Rötel oder Grafit waren zur Festschreibung der Bildidee die Mittel der Wahl: Die Vorzeichnung galt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein als unabdingbare Voraussetzung für die malerische Ausführung. Für kaum einen Maler früherer Jahrhunderte wird es vorstellbar gewesen sein, dass die Infrarotreflektographie heute manches ihrer Geheimnisse preisgibt: Hilfslinien und Umrisse bieten Aufschluss über die Techniken der Übertragung – von der Lochpause bis zur Quadrierung – und über die individuelle Handschrift des Künstlers, die sich in der Zeichnung gern deutlicher zeigt als im Pinselstrich. Farben, Malwerkzeuge und spannende Erkenntnisse dazu stehen im nächsten Ausstellungskapitel im Fokus. Welche Farben wurden genutzt – mühsam aus Ei oder Öl und Pigmentpulver selbst angerieben oder industriell hergestellt, und womit wurden sie aufgetragen? Hier werden Kunstgriffe der Malerei anschaulich: Etwa die Technik des „Baumschlags“ – die Nutzung spezieller Pinsel zur Abbildung des Laubwerks von Bäumen oder Sträuchern, das Sgraffito, das expressiv in die Oberfläche ritzt, bewusste Aussparungen in der Malschicht oder der Farbauftrag mit Palettmesser und Lappen. Deutliche Unterschiede in Anspruch und Ausführung manifestieren sich in der Gegenüberstellung akademischer Glattmalerei zur locker-virtuosen Alla-Prima-Malweise, die sich in Manets Spargelstillleben in kühnem Pinselstrich vollendet zeigt.

Und wenn den Kunstschaffenden (oder der Kritik) das Resultat missfiel? Besonders interessant sind die Erläuterungen zu den heute meist unsichtbaren Pentimenti, den „Reuezügen“ und Korrekturen, die allenthalben nötig wurden: „Ich denke, es ist besser, einen missglückten Teil mit einem Palettmesser zu entfernen und noch einmal von vorn anzufangen, als immer darauf zurückzukommen“, schrieb Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo. Auch vollständige Übermalungen verworfener Stücke werden sichtbar: Beispielhaft ist die Allegorie der Geometrie von Andrea und Raffaello del Brescianino, die eine teils schon ausgeführte Madonna mit Kind überdeckt. Wie schwierig es ist, trotz eingehender Untersuchungen die Eigenhändigkeit der Übermalungen festzustellen, zeigt sich an Rembrandts spätem Selbstbildnis: Es wandelte sich vom freundlich lächelnden, etwas müde wirkenden älteren Herrn mit langem Haar in den lachenden, kostbar gewandeten Maler mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen, der von der Forschung als Darstellung des Zeuxis identifiziert wird. Zum Schluss des Rundgangs wartet eine Überraschung: Im großen „Akademiesaal“ können die Besucher*innen selbst zum Stift greifen und an der Staffelei nach Gipsabgüssen, Skulpturen und Modellen zeichnen. Umgeben werden sie dabei von einer Präsentation, die die Künstlerausbildung im Wandel der Zeiten beleuchtet und den Weg vom Lehrling zum Meister erklärt – beginnend im Zeitalter der Zünfte bis zur akademischen Ausbildung von heute.


A U S S T E L L U N G E N

Bis 13. Februar 2022
Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet

Bis 13. Februar 2022
Linie lernen. Die Kunst zu zeichnen

In seinem Graphischen Kabinett widmet sich das Wallraf dem Erlernen des Zeichnens als Grundlage der Künstlerausbildung und ästhetischen Erziehung. „Linie lernen. Die Kunst zu zeichnen“ vermittelt eine konkrete Vorstellung vom Unterricht für angehende Künstler und präsentiert auch einige anschauliche Anleitungen zum Zeichnen und Malen. Nicht zuletzt fängt die Schau die Intensität und Intimität des Zeichnens mit Studienblättern und Darstellungen von zeichnenden Künstlern ein.

K ATA L O G

Entdeckt! Maltechniken von Martini bis Monet, Iris Schaefer (Hrsg.), Hardcover, 256 S. mit 319 Abb., 28 x 24 cm, Wienand Verlag, ISBN 9783868326604

KO N TA K T

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten (am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel. +49-(0)221-221-21119
www.wallraf.museum

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Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln lädt ein zu einer unmittelbaren Begegnung mit der europäischen Kunst und besitzt eine der wichtigsten Sammlungen mittelalterlicher Kunst weltweit. Stefan Lochners populäre „Die Muttergottes in der Rosenlaube“ ist ihr Höhepunkt. Weitere Highlights sind die Malerei des Barock mit Gemälden von Rubens, Rembrandt, Murillo bis Boucher, die deutsche Romantik sowie der französische Realismus und Impressionismus. Mit den Bildern der Fondation Corboud besitzt das Wallraf-Richartz-Museum die umfangreichste Sammlung impressionistischer und neoimpressionistischer Kunst in Deutschland. Manet, Monet, Renoir, Pissarro, Sisley, Morisot, Signac und Seurat sind mit hervorragenden Werken vertreten, van Gogh, Cézanne, Gauguin, Bonnard, Ensor und Munch leiten die Moderne ein.

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