Ausstellung

Parkomanie

Die Gartenlandschaften des
Fürsten Pückler

„Wer mich ganz kennenlernen will, muß meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz.“ Hermann Fürst von Pückler-Muskau

Blaues Blut und grüner Daumen: Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zeigt bis zum 18. September 2016 eine groß anlegte Ausstellung über das außergewöhnliche Leben und Werk von Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871), der sich selbst als „Parkomanen“ bezeichnete.

Dabei widmet sich die Schau chronologisch den drei wichtigsten von Pückler entworfenen Gartenanlagen in Bad Muskau/Łęknica an der deutsch-polnischen Grenze, in Babelsberg im Norden von Potsdam und in Branitz nahe Cottbus – wie auch seiner schillernden Persönlichkeit. „Das Thema Gärten liegt im Frühling nicht nur in der Natur in der Luft, sondern heutzutage auch in Museen wie der Bundeskunsthalle,“ stellte Rein Wolfs, der Intendant des Hauses, anlässlich der Pressekonferenz heraus und wies darauf hin, dass die Ausstellung „Parkomanie“ das Wagnis eingeht, nicht nur das nachhaltige Wirken und die offene Geisteshaltung Pücklers im Kontext der europäischen Kunst und Kulturgeschichte, sondern auch die gestaltete „Natur“ thematisieren zu wollen. Ein Vorhaben, soviel sei gleich zu Beginn gesagt, das mehr als geglückt ist!

Rund 250 Objekte von über 30 namhaften öffentlichen und privaten Leihgebern werden dafür im gleichermaßen großzügigen wie informativen Ausstellungsbereich im Erdgeschoss des Hauses präsentiert, darunter großformatige Originalpläne von Pücklers Gartenanlagen, kolorierte Stiche und frühe Fotografien, Gemälde und Aquarelle, feinstes Porzellan und Tafelsilber, Terrakotta-Wandreliefs, Autografen und Bücher. So ist etwa die Erstausgabe seines 1834 erschienenen und reich illustrierten Fachbuchs „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ ausgestellt, das im 19. Jahrhundert zu einer der erfolgreichsten Schriften zur Landschaftsgestaltung avancierte. Großformatige Exponate wie der schmiedeeiserne Flügel des Eingangstores zum Muskauer Park oder das gewichtige Biedermeier-Schreibpult von Pücklers Ehefrau Lucie dienen auch als Blickfang und Orientierung. Nicht zuletzt werden die historischen und künstlerischen Original-Zeugnisse ergänzt von neuen Medien, die den historischen wie aktuellen Blick auf die gartengestalterischen Meisterwerke des Fürsten „lebendig“ werden lassen: Im Eingangsbereich werden etwa zur Einstimmung auf die Ausstellung aktuelle Filmaufnahmen von Drohnenflügen über die Parkanlagen aus der Vogelperspektive gezeigt. Zeitraffer-Aufnahmen in 3-D von markanten Stellen und Sichtachsen der Gärten machen einen Tagesverlauf oder den Wechsel der Jahreszeiten sichtbar. Kolorierte, historische Lithografien mit Ansichten von Muskau wurden in 3-D-Dias umgewandelt und sind nun in kleinen Diabetrachtern, sogenannten „Guckis“, vor einem großen Panorama mit der Ansicht auf die Neiße, den Park und das Schloss von Muskau zu sehen.

Der „tolle“ Fürst Pückler – Gärten als Lebenselixier

Hermann Fürst von Pückler-Muskau kam 1785 auf Schloss Muskau zur Welt und blieb bis heute vor allem als Namensgeber einer 1839 von dem Königlich-Preußischen Hofkoch Jungius entwickelten dreischichtigen Eiskreation, dem Fürst Pückler-Eis, im Gedächtnis. Bereits zu seinen Lebzeiten war er jedoch gleichermaßen als exzentrischer Lebemann und Frauenheld wie passionierter Weltreisender und Schriftsteller sowie genialer Gartenkünstler bekannt. Pückler entwickelte die Vision eines Gartens als „begehbare Bildergalerie“, in der die zum Kunstwerk idealisierte Natur immer neue Überraschungen bot. Zwar sind seine Anlagen in Muskau, Babelsberg und Branitz in ihren Anmutungen höchst unterschiedlich, jeder liegt jedoch ein Höchstmaß an gestalterischer Perfektion zugrunde, in denen Wasser- und Wegesysteme, Blickachsen und Aussichtpunkte von großer Bedeutung sind. Dafür ließ der Fürst Flüsse umleiten, Dörfer umsiedeln, Hügel aufschütten, bereits größere Bäume mit einer eigens entwickelten Baummaschine versetzen oder etwa einen Eremiten als „lebende“ Gartendekoration einstellen. Die Umsetzung seiner Ideen war naturgemäß äußerst kostspielig und führte ihn mehrfach bis an den Rand des finanziellen Ruins.

1815 begann Pückler als junger Standesherr in Muskau mit dem Bau eines weitläufigen Landschaftsparks mit langen Sichtbeziehungen und Wegen an den Hangterrassen des reizvollen Neißetals. Die Ästhetik der englischen Landschaftsgärten, von denen er ein Jahr zuvor auf seiner Reise in das Vereinigte Königreich ganze 35 besucht hatte, diente ihm als Inspiration für die eigene Gestaltung. Pücklers „Parkomanie“ teilte zeitlebens auch seine neun Jahre ältere Frau Lucie, Tochter des preußischen Staatskanzlers Hardenberg, die er 1817 heiratete. Trotz Lucies stattlicher Mitgift stiegen die Schulden des Fürsten ins Unermessliche und die Arbeiten an dem Großprojekt gerieten ins Stocken. Um ihren Traum zu retten, entschloss sich das Ehepaar zu einem ungewöhnlichen Schritt: Es ließ sich pro forma scheiden und Pückler reiste 1826 auf der Suche nach einer reichen Braut nach England. Er blieb drei Jahre, erkundete Land und Leute – vor allem die Garten- und Damenwelt – und hielt seine Eindrücke sowohl in privaten Erinnerungsalben, die in der Ausstellung zu sehen sind, als auch in täglichen Briefen an seine geschiedene Frau Lucie fest. Schließlich kehrte er erfolglos nach Muskau zurück. Seine Briefe mit den ergötzlichen Schilderungen der englischen Gesellschaft wurden jedoch 1832 anonym unter dem Titel Briefe eines Verstorbenen veröffentlicht und gerieten zum „Kassenschlager“. Finanziell war die Parkschöpfung damit zumindest vorübergehend gerettet und den unternehmungslustigen Fürsten zog es in die weite Ferne: Er bereiste fünf Jahre lang den Orient bis in den Sudan. Die Schulden wuchsen erneut, so dass der Fürst 1845 schließlich seinen Besitz in Muskau verkaufen musste. Pücklers Jahre in Muskau und seine Reisen nach England werden im ersten Teil des Ausstellungsbereiches in der Bonner Kunsthalle nachgezeichnet.

Pückler zog mit Lucie nach Branitz bei Cottbus auf den dortigen väterlichen Familienbesitz. Gleichzeitig versuchte er mehr und mehr, an den preußischen Hof zu gelangen. In seinem 15-seitigen Unterthänigsten Promemoria an den preußischen Prinzen Wilhelm verriss er die Pläne und Arbeiten seines Konkurrenten, des Königlichen Gartendirektors Peter Joseph Lenné, für den Park der sich im Bau befindlichen Sommerresidenz des Prinzen auf dem Babelsberg bei Potsdam und machte eine Reihe Verbesserungsvorschläge. Pückler überzeugte damit nicht nur den späteren König und Kaiser Wilhelm I., sondern vor allem dessen Gemahlin Augusta, und erhielt schließlich 1842 den Auftrag zur Vollendung der Gartenanlage. „Der Zauberer“, wie Prinzessin Augusta den Fürsten nannte, widmete sich vor allem der Gestaltung der Schlossterrassen und eines nach englischem Vorbild entworfenen sogenannten Pleasureground: ein gartenkünstlerisch aufwendig angelegter Gartenabschnitt zwischen Haus und Park, mit Ziersträuchern, Blumenbeeten, Wasserflächen und Fontänen. Pückler nutzte dafür das moderne dampfbetriebene Bewässerungssystem, das mit 40 PS Wasser in die Leitungen pumpte. Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich dem „fürstlichen Tagelöhner“ auf dem Babelsberg. Ausgestellt ist etwa kostbares Porzellan der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin, ein Originalteil des gusseisernen Pumpensystems des Parks und eine Computeranimation der kolossalen Wasseranlagen.

Gärten waren Pücklers Lebenselixier. Dementsprechend begann er 1846 noch als Sechzigjähriger mit dem Umbau des auf sandigem Boden erbauten maroden Branitzer Familiensitzes in eine „grüne Oase“ der Kontemplation und Erinnerung. Um das renovierte Schloss im Zentrum ließ er üppige Blumenbeete und Ziergehölze, elegant verlaufende Wasserflächen und Wege, zahlreiche aus der näheren Umgebung verpflanzte Großbäume und sanft geschwungene Hügel anlegen. Pückler nannte seine gestaffelten Gestaltungsprinzipien auch Zonierung. Nach dem Tod seiner geschiedenen Frau Lucie 1854 begann er im Branitzer Park als weitere Gestaltungselemente zwei Pyramiden zu errichten, eine davon in einem See, die er als Grabmal für sich vorsah. Die Rezeption ägyptischer Architektur besaß beim deutschen Adel bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts Tradition. Der Fürst hatte zudem natürlich den Vorteil, die Pyramiden in Ägypten selbst in Augenschein genommen zu haben. Von seiner Orientreise brachte Pückler exotische Tiere und Pflanzen sowie wertvolle Erinnerungsstücke mit, die er später in seinem orientalischen Kabinett auf Schloss Branitz sorgsam aufbewahrte. Der dritte und letzte Teil der Ausstellung zeigt den gereiften Visionär Pückler bei seinem letzten großen Gartenprojekt und Mittler zwischen den Kulturen. Dementsprechend werden aus seiner ägyptischen Sammlung ein traditioneller Hocker, eine Truhe und Stelzenschuhe mit Perlmutteinlegearbeiten aus Ägypten ausgestellt wie auch das Porträt einer schönen jungen Frau: Der Fürst hatte die minderjährige Abessinierin Machbuba 1837 auf dem Sklavenmarkt in Kairo gekauft und sie mit auf die Reise genommen. In einem Brief an Lucie bezeichnete er Machbuba als seine „Mätresse“. Sie begleitete ihn auch bei seiner Rückkehr, sehr zum Verdruss von Lucie, die sich in all den Jahren ansonsten sehr tolerant gezeigt hatte.

Nicht nur die Gartengestaltung, das Reisen und die Schriftstellerei zählten zu den Leidenschaften Pücklers, sondern auch die Ausrichtung von Gesellschaften mit entsprechenden Festmahlen. Dabei ließ er etwa exotische Köstlichkeiten wie Ananas servieren, die in seinen Gewächshäusern gediehen. Desserts und Früchte zum krönenden Abschluss eines Menüs waren sehr beliebt, wie eine reich gedeckte Tafel in der Ausstellung zeigt.

Salons unter freiem Himmel – Pücklers Gartenvisionen auf dem Museumsdach

Parallel zur Ausstellung lädt auf dem Dach der Bundeskunsthalle ein nach den Gestaltungsprinzipien Pücklers angelegtes temporäres Gartenreich mit Tausenden Pflanzen und knapp 70 Bäumen zu einem Rundgang ein. Zu sehen sind etwa ein Wasserbassin und von glasierten Ziegeln in Muschelform umrandete Blumenbeete in Anlehnung an Pücklers Rosary in Muskau, die filigrane Rosenlaube aus Branitz mit der vergoldeten Büste der beliebten Opernsängerin Henriette Sontag (1806–1854), eine Staudengärtnerei mit Blumen und Gemüsen in intensiven Farben, exotische Kübelpflanzen wie Palmen und Zitronenbäumchen oder kunstvoll angelegte Baumgruppen, darunter Blutbuchen, Eichen, Espen, Robinien und Obstgehölze, die zum Teil gentechnisch von den Ursprungsbäumen aus Muskau und Branitz stammen.

Auf einen Blick:

Ausstellung: Parkomanie – Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler in Muskau, Babelsberg und Branitz
Ort: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
Zeit: bis 18. September 2016
Internet: www.bundeskunsthalle.de

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Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, kurz Bundeskunsthalle, ist ein besonderer Ort der Kunst, Kultur und Wissenschaft. Im Zentrum des Programms steht die Kunst aller Epochen, einschließlich zeitgenössischer Kunst, sowie Ausstellungen zu kulturhistorischen Themen und Archäologie, aber auch Präsentationen zu anderen Wissensgebieten wie Technik oder Ökologie. Ziel ist es, den Blick nicht nur auf die westliche Kultur zu richten, sondern eine globale Perspektive aufzuzeigen.

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