Christo und Jeanne-Claude in der Sammlung Würth
Ob der verhüllte Berliner Reichstag, die safranfarben bespannten Tore im New Yorker Central Park oder die verzauberte Pont Neuf in Paris – mit seinen monumentalen temporären Installationen hat das Künstlerpaar Christo (1935–2020) und Jeanne-Claude (1935–2008) das kollektive Gedächtnis von Millionen Menschen weltweit geprägt. Bis zum 25. Januar 2026 zeigt das Museum Würth in Künzelsau mit der Ausstellung „Verhüllt, verschnürt, gestapelt. Christo und Jeanne-Claude“ einen Umfang reichen Querschnitt durch 60 Jahre ihres Schaffens, der alle Werkphasen vorstellt.

Christo und Jeanne-Claude: Wrapped Floors and Stairways and Covered Windows (Project for Museum Würth, Künzelsau, Germany), 1994, Zeichnung in zwei Teilen, 38 x 165 cm, und 106,6 x 165 cm, Sammlung Würth, Inv. 2595
Foto: Wolfgang Volz © Christo and Jeanne-Claude Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Die Ausstellung präsentiert rund 120 originale Collagen, Zeichnungen, Modelle, Fotografien und Filme aus der Sammlung Würth. Anlass ist der 90. Geburtstag des Künstlerpaars – beide wurden am 13. Juni 1935 geboren. Zudem standen sie in einer sehr persönlichen Beziehung zum Sammler Reinhold Würth, was sich künstlerisch in zwei Projekten niederschlug: 1995 in der Verwandlung des Museum Würth in Künzelsau zu einer begehbaren Rauminstallation und 2011 mit der Verhüllung einer sieben Meter langen Hainbuche für die Sammlung Würth.
Mit dem Verfremden von Gegenständen begann Christo 1958 in Paris. Er verhüllte Dosen und Flaschen, baute erste Installationen mit Fässern und verwandelte Alltagsgegenstände in skulpturale Objekte. Die Ausstellung zeigt viele hochkarätige Beispiele aus dem Frühwerk, die bereits eindrucksvoll Christos künstlerisches Konzept zeigen: bekannte Dinge zu verhüllen, um neue Perspektiven auf sie zu ermöglichen und den Raum für neue Interpretationen zu schaffen. Dies gelingt dem Künstlerpaar ab den 1960er-Jahren in immer größerem Umfang sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum.

Christo: Wrapped Oil Barrels / Verhüllte Ölfässer, 1958–59, Stoff, Lack, Stahldraht und acht Fässer, vier verhüllte Fässer: 60 x 37 cm, 60 x 37 cm, 63 x 36 cm, 59,5 x 38,5 cm, vier unverhüllte Fässer: 63 x 36,5 cm, 64 x 37,5 cm, 65 x 37 cm, 64 x 37,5 cm, Sammlung Würth, Inv. 5992
Foto: Ufuk Arslan. Museum Würth © Christo and Jeanne-Claude Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Verbindendes Element vieler Projekte ist dabei das Medium Stoff, der sich mal als Außenhülle um Gebäude, Felsen oder Bäume schmiegt, mal als pinke Umrandung ganzer Inseln vor Miami dient oder leuchtend gelb die schwimmenden Plattformen im Lago d’Iseo akzentuiert. Aber auch gestapelte Ölfässer ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk des Künstler-Duos.
Ein wichtiger Aspekt in der Kunst von Christo und Jeanne-Claude ist die Vergänglichkeit. Denn die ausgeführten Installationen sind zeitlich begrenzt und schaffen einmalige, atmosphärisch flüchtige Bilder, die verändern, was schon existiert, nun aber neu wahrgenommen wird. Die vorbereitenden Meisterzeichnungen, Collagen und Modelle Christos bleiben hingegen erhalten. Ihr Verkauf garantierte dem Künstlerpaar Unabhängigkeit und Freiheit in der Umsetzung, indem es auch die aufwendigsten Projekte selbst finanzierte. Die Sammlung Würth verwahrt mit über 130 originalen Arbeiten eines der größten Konvolute an Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude weltweit, ergänzt um mehr als 30 Fotografien von Harry Shunk und Wolfgang Volz.
Der Unternehmer und Sammler Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth pflegte eine Freundschaft mit dem Künstlerpaar. Er erinnert sich: „Eine erste Kontaktaufnahme in Hamburg 1994, und schon machte es klick. Im Laufe der vielen Treffen mit Christo und Jeanne-Claude entwickelte sich zunächst Bekanntschaft und darauffolgend eine enge Freundschaft; unsere Begegnungen in Hongkong, New York und vielen Städten Europas haben mich und mein Kunstverständnis bereichert. Höhepunkt des künstlerischen Schaffens von Christo und Jeanne-Claude war für mich ganz eindeutig die wunderbare Verhüllung des Reichstagsgebäudes in Berlin – wenige bildende Künstler haben ein ganzes Volk in diesem Ausmaß bewegt, wie dies Christo und Jeanne-Claude 1995 in Berlin gelang.“
Die damalige Bundestagspräsidentin und Politikerin Prof. Dr. Rita Süssmuth schreibt im Katalog zur Ausstellung, erschienen im Swiridoff Verlag: „Es war für mich ein politisches Projekt, das nicht nur Größe hatte, sondern eine eigene, friedliche Botschaft an Berlin und die Welt. Das war nicht das aggressive Deutschland. Es war eine Botschaft von Kunst und Kultur, die in die Welt ausstrahlte. Und noch ein Aspekt dieser Kunst ist bedenkenswert: Sie scheint vergänglich; sie gehört niemandem. Solche Kunst kann man nur durch Präsenz erleben, nur wenn man dabei ist. Christo und Jeanne-Claude war dieser ‚demokratische‘ Aspekt ihrer Kunst wichtig. Darüber hinaus haben sie ihre verwendeten Materialien stets recycelt.“
C. Sylvia Weber, Direktorin der Sammlung Würth und mit Kirsten Fiege Kuratorin, sagt über die Ausstellung: „Christo und Jeanne-Claude verschoben die Dimension dessen, was man sich bis dahin unter einem Kunstwerk vorzustellen vermochte, unwiderruflich. Ihre Verwegenheit, ein Gebäude, ein Monument oder eine ganze Küste zu verhüllen, veränderte nicht die Welt, wohl aber unsere Einstellung zu ihr. Noch heute sind wir irritiert, wenn sich vertraute Ansichten von Christo verhüllt oder auch nur verstellt unseren Blicken entziehen. Seine frühen Skulpturen in der Sammlung Würth geben Gelegenheit, das zu erleben. Die zweite Haut, die er über die Objekte gelegt hat, regt die Fantasie an. Die mit Jeanne-Claude konzipierten Großprojekte feierten hingegen stets das Fest des Augenblicks.“

Christo: Surrounded Islands (Project for Biscayne Bay, Greater Miami, Florida) / Umsäumte Inseln (Projekt für die Biscayne Bay, Greater Miami, Florida), 1982, Zeichnung in zwei Teilen, 38 x 244 cm und 106,6 x 244 cm, Sammlung Würth, Inv. 2774
Foto: Wolfgang Volz © Christo and Jeanne-Claude Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Auf einen Blick
Ausstellung
Bis 25. Januar 2026: Verhüllt, verschnürt, gestapelt – Christo und Jeanne Claude. Sammlung Würth
Öffnungszeiten
Täglich 11.00 bis 18.00 Uhr
Katalog
Verhüllt, verschnürt, gestapelt – Christo und Jeanne Claude. Sammlung Würth, mit Beiträgen von Reinhold Würth, Beate Elsen-Schwedler, C. Sylvia Weber, Georg Leisten, Kirsten Fiege, Maria Würth, Matthias Koddenberg, Rita Süssmuth, dt./engl., 216 S. 22,5 x 28 cm, Swiridoff Verlag, ISBN 9783899294606
Kontakt
Museum Würth
Reinhold-Würth-Straße 15
74653 Künzelsau
Tel.+49-(0)7940-15-2200
www.kunst.wuerth.com
Instagram: @wuerth_collection