Ausstellung

Komposition und Experiment

Oskar Schlemmer in Wuppertal

Oskar Schlemmer (1888–1943) gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Vielseitig wie kaum ein anderer war er als Maler, Wandgestalter, Grafiker, Bildhauer und Bühnenbildner tätig. Intensiv setzte er sich mit den Künstlern und Kunstströmungen seiner Zeit auseinander und hinterließ eine große Gruppe an Bewunderern. Das Von der Heydt Museum Wuppertal widmet Schlemmer bis zum 23. Februar 2020 eine umfassende Ausstellung, die Werke aus allen Phasen seines Schaffens umfasst. Sie legt ihren Fokus weniger auf die Jahre am Bauhaus als vielmehr auf die Spätphase, in der Schlemmer neue Ideen – sei es zu Wand und Objektgestaltungen, sei es zu Malerei und Ballett – in wunderbaren Skizzen und Studien festgehalten hat.

Die Ausstellung „Oskar Schlemmer. Komposition und Experiment. Das Wuppertaler Maltechnikum“ setzt das Werk Schlemmers in Relation zu dem seiner Lehrer, seiner Kollegen am Bauhaus und in Breslau sowie zu Willi Baumeister und Franz Krause. Diese hatten sich wie Schlemmer in der Wuppertaler Lackfabrik von Kurt Herberts ins „innere Exil“ zurückgezogen. Schlemmer war Meisterschüler von Adolf Hölzel und lernte 1913 in Berlin die „Sturm“-Galerie kennen. Als er 1920 von Walter Gropius einen Ruf an das Bauhaus in Weimar erhielt, traf er dort auf zahlreiche Maler, die sich – wie er selbst – mit den gestalterischen Problemen einer neuen, alle Lebensbereiche umfassenden Kunst beschäftigten: u.a. Wassiliy Kandinsky, Lyonel Feininger, Paul Klee, Georg Muche und Johannes Itten. Nach Stationen in Dessau und an der Kunstgewerbeschule in Breslau, wo er mit Johannes Molzahn und Otto Müller in Kontakt stand, war er ab 1933 durch den Nationalsozialismus von allen Ämtern ausgeschlossen, seine Kunst galt als entartet. Auf Vermittlung des Architekten Heinz Rasch erhielt er eine Position als „Professor für maltechnische Forschungsvorhaben“ in der Wuppertaler Lackfabrik von Dr. Kurt Herberts. Schließlich wohnte er ab 1940 im Haus des neu eingerichteten „Instituts für Malstoffkunde“, wo er mit der kreativen Erforschung und Anwendung moderner Lacktechniken betraut wurde. Hier entwarf er nicht nur sein berühmtes „Lackkabinett“, auch sein „Lackballett“ wurde in Wuppertal zum Firmenjubiläum 1941 uraufgeführt. In Wuppertal entstanden seine letzten, die sogenannten. „Fensterbilder“. Die nur handgroßen Bilder sah er als die „reinste Darstellung meiner selbst“, und er war sich sicher: „Mehr kann ich nicht geben.“

Schlemmer, der am Bauhaus unter anderem Aktzeichnen lehrte, konzentrierte sich in seiner freien ebenso wie in seiner angewandten Kunst auf das Thema der menschlichen Figur im Raum. Sein Ideal war eine Synthese aus strenger Komposition und in der Natur anschaulich werdender Mystik. Sichtbar wird das in dem großen Bestand von rund 300 Gemälden und Zeichnungen, der sich in der Sammlung des Von der Heydt-Museums befindet. Gezeigt werden nun rund 230 Werke, Gemälde, Skulpturen, Plastiken und Arbeiten auf Papier.

Die Ausstellung folgt den Lebensspuren Oskar Schlemmers und beginnt mit seiner Zeit an der Stuttgarter Akademie. So sind in Raum 1 Werke seiner bewunderten Kollegen versammelt: Adolf Hölzl, Otto Meyer-Amden, Paul Cézanne, Georges Seurat, Wilhelm Lehmbruck und Alexander Archipenko. Willi Baumeister blieb bis in die Wuppertaler Zeit für ihn Freund und Unterstützer, aber auch Konkurrent. Der Kubismus war die künstlerische Richtung, mit der er sich in dieser Zeit intensiv auseinandersetzte. Die zentrale Frage Schlemmers war nicht die nach der Form, sondern vielmehr diejenige nach der Idee dahinter.

In Raum 2 sind seine frühen Reliefs zu sehen, in denen er bereits die organischen Formen des Menschen stilisierte. Es ging ihm um die Figur als Kunstwesen, um ein Gleichnis zur menschlichen Gestalt. Seine großen Vorbilder in jener Zeit waren etwa Paul Klee und Pablo Picasso, mit Konstruktivisten wie Walter Dexel und Dadaisten wie Kurt Schwitters stellte er aus.

Schlemmers Bauhaus-Zeit ist das Thema in Raum 3: Anfang 1921 nahm Schlemmer seine Tätigkeit am Bauhaus auf, zeitgleich mit Paul Klee. Aus dem Kreis um Adolf Hölzl traf er in Weimar Ida Kerkovius und Johannes Itten wieder. Auch Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Georg Muche und Wassily Kandinsky gehörten zu den Lehrern am Bauhaus, während die Maler Werner Gilles und Max Pfeiffer Watenpuhl dort studierten. Die Bilder in Raum 4 widmen sich Schlemmers Auseinandersetzung mit der Figur im Raum. Zu sehen ist auch die große „Homo“-Wandarbeit aus Stahldraht (1931), die zu Schlemmers wichtigsten Wandgestaltungen gehört. Zeitweilig rückten auch Bühnenarbeiten in den Vordergrund. Raum 5 beschäftigt sich mit Schlemmers Zeit in Breslau: Dort nahm er eine Professur an und widmete sich erneut der Malerei. Nach der Schließung der Breslauer Akademie 1932 wechselte er an die Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe in Berlin, wo auch Karl Hofer lehrte. Beide Lehrer wurden in einer Plakataktion von den Nationalsozialisten als „destruktive jüdisch-marxistische Elemente“ angeprangert und von allen Ämtern ausgeschlossen. Schlemmers künstlerische Produktion stagnierte, erst 1936 setzte sie wieder ein – weiterhin mit dem Thema Figur.

Auf die Zeit in Wuppertal stimmt Raum 6 ein. Bereits 1936 hatte Schlemmer Kontakt zu Kurt Herberts und dessen Lackfabrik, und 1940 zog er sich als „verfemter“ Künstler nach Wuppertal zurück. Dort leitete er das von Herberts neu eingerichtete „Lacktechnikum“ in einem Wohnhaus in Wuppertal- Elberfeld.

Mehr als 140 Zeichnungen Schlemmers aus der Wuppertaler Zeit – teilweise nur Skizzen auf kleinen Zetteln – versammelt Raum 7 als Herzstück der Ausstellung. In vielen Varianten hielt Schlemmer mit schnellen Strichen und beinah dokumentarisch die Menschen im Labor der Lackfabrik fest: Maler mit Pinseln und Chemiker mit Kolben in vielen Details. Die Staffelung mehrerer Personen im Raum erinnert an Schlemmers Figurenbilder der 1920er-Jahre, aber es ist heute nicht eindeutig zu klären, welche der Skizzen mit welchen Projekten in Verbindung stehen.

Viele von Schlemmers Werken aus jener Zeit wurden nicht beendet oder aber im Krieg zerstört. Manche der Zeichnungen waren als Entwurf für eine Wandgestaltung im Treppenhaus der Fabrik gedacht, andere für den Lackschrank zum Thema „Der Maler“, den Schlemmer für Herberts anfertige und der im Krieg zerstört wurde. Von ihm sind allein Fotos und Entwürfe erhalten. In einem Lichtkasten ist die Ideenskizze Schlemmers vergrößert, die als eine Art Manifest zu sehen ist: „Ich will, dass man keine Malerei merkt, keine Pinselstriche, es soll alles wie von wannen sein.“ An den kleinen Skizzen ist zu erkennen, wie konzeptionell Schlemmer arbeitete und seine Arbeiten plante, inklusive der Farben, die er am Rand vermerkte. Über die Experimente zum Material kam er einerseits zur Abstraktion, blieb aber doch seinem Thema, der Figur im Raum, treu. Dabei vermied er – im Gegensatz zur Malerei seiner Zeit – alles Pathetische.

Auch einen weiteren Bühnenentwurf schuf Schlemmer in seiner Wuppertaler Zeit: Anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Firma Herberts entwarf er in Anlehnung an das „Triadische Ballett“ sechs Figurinen für das „Lackballett“, das 1941 mit seinen eigenen Choreografien aufgeführt wurde. Einige Fotos und Skizzen sind erhalten und im ersten Kabinett ausgestellt. Der Nachbau des Lackkabinetts ist im nächsten Raum zu sehen. Ursprünglich als Musterraum gedacht, der die Möglichkeiten moderner Lackmalerei zusammenfassend präsentierte, wurde es aber aus Kostengründen nicht realisiert. Schlemmer experimentierte in Wuppertal auch mit Lackflüssen, Ritzungen oder Reliefs und entwickelte ein eigenes Verfahren, mittels eines kleinen Rohres den Lack auf das Trägermaterial aufzutropfen. Diese Tropftechnik wandte er sogar auf figürliche Darstellungen an. Die Einstellung der Arbeiten am Lackkabinett enttäuschte Schlemmer. Er suchte nach neuen Ansätzen für seine freie Malerei und malte Wuppertaler Stadtansichten, so, wie er sie von seinem Fenster aus sehen konnte, formal an seine früheren kubistisch inspirierten Landschaftsbilder anknüpfend. Diese letzten sogenannten „Fensterbilder“ bilden im dritten Kabinett den Abschluss der Ausstellung und spiegelten nach eigener Aussage Schlemmers „Summe seiner Lebensarbeit“.


Auf einen Blick

Ausstellung:
Oskar Schlemmer
Komposition und Experiment
Das Wuppertaler Maltechnikum

Bis 23. Februar 2020

Katalog:
Oskar Schlemmer
Komposition und Experiment
Das Wuppertaler Maltechnikum

Antje Birthälmer, Beate Eickhoff (hrsg.), mit Beiträgen von Antje Birthälmer, Gerda Breuer, Beate Eickhoff, Oskar Schlemmer, Anna Storm, Rainer K. Wick, Von der Heydt-Museum 2019, ISBN 9783892021025

Kontakt:
Von der Heydt-Museum
Wuppertal
Turmhof 8
42103 Wupper tal
www.von-der-heydt-museum.de

 

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Profile

Gegründet 1902 als Städtisches Museum Elberfeld, wurde die Institution 1961 umbenannt in Von der Heydt-Museum – eine Reverenz an die Wuppertaler Bankiersfamilie, die das Museum in vielfältiger Weise gefördert hat. Die Sammlung des Museums umfasst Kunst vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Impressionismus, Expressionismus und die 1920er-Jahre bilden die Schwerpunkte. Zum Bestand gehören rund 2 200 Gemälde, 500 Skulpturen und 30 000 grafische Blätter. Seit 2020 ist Roland Mönig Direktor des Museums, das sich im Zentrum von Wuppertal-Elberfeld befindet.

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