Ausstellung

Das Unmögliche als Möglichkeit

Große Retrospektive zu Victor Vasarely im Städel Museum Frankfurt

Er gilt als Begründer der Op-Art und als eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: Victor Vasarely (1906–1997) verband die Kunst der frühen Moderne Ost- und Mitteleuropas mit den Avantgarden der Swinging Sixties in Europa und Amerika. Dazu bediente er sich zeitlebens unterschiedlichster Einflüsse, klassischer Medien und Genres und integrierte das Multiple, die Massenproduktion und auch die Architektur in sein facettenreiches Werk. Bis zum 13. Januar 2019 zeigt das Städel Museum in Frankfurt die große Sonderausstellung „Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne“, in der anhand von über 100 Werken seine Entwicklung mit zentralen Arbeiten aller Werkphasen nachgezeichnet wird.

Mit Arbeiten wie Hommage au carré (1929) oder figurativen Malereien wie Autoportrait (1944) blickt die Ausstellung zurück zu Vasarelys künstlerischen Anfängen. Von diesen frühesten Werken wie Zèbres (1937) über seine Noir-et-Blanc-Periode der 1950er-Jahre erstreckt sich die Auswahl bis zu den Hauptwerken der Op-Art wie den Vega-Bildern der 1970er-Jahre. Die umfassende Retrospektive versteht sich als Wiederentdeckung eines herausragenden Protagonisten des 20. Jahrhunderts, welcher die Moderne wie kein anderer in all ihrer Komplexität widerspiegelt. „Mit ‚Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne‘ widmet sich das Städel Museum nicht nur einem der vielleicht bekanntesten Unbekannten der europäischen Nachkriegskunst, sondern einmal mehr einer zentralen Fragen der Gegenwartskunst, nämlich der nach der Kontinuität von Erster und Zweiter Moderne – und ihrer Bedeutung für die Kunst unserer Gegenwart“, so Städel-Direktor Philipp Demandt. „Vasarely holte den Raum der Renaissance, den die Moderne negierte, wieder zurück ins Bild. Die Koordinaten der Zentralperspektive waren aber nicht mehr verlässlich. Die Räume, die er entwirft, sind dynamisch einladend, labyrinthisch und problematisch zugleich. Nur wenn wir in seinen raumgreifenden Op-Art-Kompositionen auch ihre atemberaubenden formalen wie inhaltlichen Abgründe erkennen, wird seine Kunst zum faszinierenden Zeugnis jenes Jahrhundertprojekts, das wir Moderne nennen“, ergänzt Martin Engler, Kurator der Ausstellung und Sammlungsleiter Gegenwartskunst im Städel Museum.

Vasarelys Bildsprache hat sich gleichsam im kollektiven Gedächtnis festgesetzt, ohne eine exakte kunsthistorische Verortung erfahren zu haben. Die künstlerischen Wurzeln des gebürtigen Ungarn liegen in der Auseinandersetzung mit der frühen Moderne. Beeinflusst wurde er durch die Theorien des Bauhauses und des Suprematismus. Später sind es seine technoiden und psychedelisch bunten Arbeiten, die durch optische Effekte in den Raum drängen und auf die Täuschung der Wahrnehmung abzielen. Diese Werke stehen stellvertretend für eine zukunftsgläubige Gesellschaft im Aufbruch. Sie prägen das Erscheinungsbild der Moderne der 1960er- und 1970er-Jahre und sind ebenso Teil der künstlerischen Avantgarde wie der Populärkultur. Durch die Verbreitung seines Werks in Form von Multiples und Auflagenwerken war Vasarely allgegenwärtig. Die Popularität, die er im Sinne einer Demokratisierung der Kunst anstrebte, machte diese auch zum Massenprodukt – im besten wie im schlechtesten Sinn.

Die Schau erzählt über zwei Stockwerke die Entstehung und Entwicklung von Vasarelys Werk entlang einer rückläufigen Chronologie. Der Besucher begegnet zunächst den Hauptwerken der 1970er- und 1960er-Jahre und wird anschließend durch das vielgestaltige Œuvre bis zum Frühwerk der 1920er- und 1930er-Jahre geführt. Somit macht die Ausstellung mit ihren freistehenden Display-Wänden das von künstlerischen Verknüpfungen und Widersprüchen durch­drungene Werk erfahrbar. „Das Unmögliche als Möglichkeit war der Antrieb Victor Vasarelys, womit er tradierte Vorstellungen vom Raum in der bildenden Kunst erschütterte und zugleich visionär erweiterte“, erläutert Jana Baumann, Kuratorin der Ausstellung. Dank der multiplen Blickachsen, die durch die offene Ausstellungsarchitektur entstehen, wird deutlich, wie sich Vasarelys Werk trotz formaler Unterschiede der einzelnen Werkgruppen über die Jahrzehnte konsistent weiterentwickelt hat.

Neben wichtigen Leihgaben etwa aus dem Centre Pompidou in Paris, der Tate Modern in London, dem Solomon R. Guggenheim Museum in New York oder der Michele Vasarely Foundation präsentiert die Ausstellung nicht zuletzt den für die Deutsche Bundesbank geschaffenen Speisesaal als herausragendes Beispiel für Vasarelys raumgreifende architektonische Gestaltungen. „Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne“ entstand in enger Kooperation mit dem Pariser Centre Pompidou, das direkt im Anschluss die Ausstellung „Vasarely, le partage des formes“ eröffnen wird. Die beiden Ausstellungen verbinden zentrale Leihgaben wie der eigens für die Frankfurter Präsentation ausgebaute Speisesaal.

Auf einen Blick

Ausstellung: Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa, So 10.00 bis 18.00 Uhr, Do, Fr 10.00 bis 21.00 Uhr
Kontakt: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main, Tel. +49-(0)69-605098-232, www.staedelmuseum.de

Publikation:
Victor Vasarely. Im Labyrinth der Moderne
Martin Engler (Hrsg.), mit Beiträgen von Jana Baumann, Martin Engler, Michael Gauthier, Györgyi Imre, Valerie Hillings sowie einem Vorwort von Philipp Demandt, Hardcover, dt., 240 S. m. zahlr. Abb., 26 x 26 cm, Verlag für Moderne Kunst, Wien, ISBN 9783903228603

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Profile

Das Städel Museum in Frankfurt am Main ist eines der bedeutendsten deutschen Kunstmuseen. Seine Sammlung umfasst mehr als 4000 Gemälde aus allen Epochen sowie eine umfangreiche Grafische Sammlung, Fotografien und Skulpturen. Die Stiftung erfolgte durch das Testament des Frankfurter Bankiers und Kunstsammlers Johann Friedrich Städel (1815). Der heutige Standort am Museumsufer wurde 1878 bezogen. 1990 kam ein von Gustav Peichl entworfener Erweiterungsbau hinzu. Eine weitere unterirdische Expansion, fertiggestellt 2012, verschaffte dem Städel rund 3000 Quadratmeter mehr Fläche für die Präsentation der Gegenwartskunst. Direktor des Museums ist seit Oktober 2016 Philipp Demandt.

[Foto: Städel Museum, Außenfassade Foto: Städel Museum / Norbert Miguletz]

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