Buchtipp

Da kommt Kunst raus!

Wie kann man moderner Kunst unbeschwert begegnen? Wie lässt sich ein produktiver Zugang zur Kunst finden? Und wie entdeckt man den Künstler in sich? Zwei Publikationen verbinden die Theorie mit der Praxis und machen moderne Kunst spielerisch erfahrbar.

Äußerlich verraten die beiden Veröffentlichungen nichts von ihrem kreativen Potenzial. Zieht man den robusten Pappdeckel von Mel Goodings „Kunstkiste“ ab, befinden sich darin ein 64 Seiten starkes Booklet und 42 hochformatige Karten im Format der Schachtel. Das lesenswerte Büchlein vertieft in drei Kapiteln („Was ist Kunst?“, „Zeichnen und Malen“, „Die Kunst in der Welt“) zentrale Aspekte moderner und zeitgenössischer Kunst und versteht sich als Ergänzung zu den beiliegenden Karten, die zur aktiven Auseinandersetzung mit Kunstwerken einladen.

Dafür werden auf jeweils sechs Karten sieben künstlerische Kategorien (Collagen, Fotokunst, Bilder machen, Gehen als Kunst, surrealistische Spiele, Anordnen und Sammeln, Fundstücke) vorgestellt. Eine „Setkarte“ stellt die spezifische Kategorie vor, informiert über den historischen oder kritischen Zusammenhang und erläutert den Grundgedanken hinter den vorgestellten Kunstwerken innerhalb einer Kategorie. Diese künstlerischen Arbeiten werden ganzseitig auf der Vorderseite der verbleibenden fünf Karten eines Sets gezeigt, u.a. Werke von Marcel Broodthaers, Anthony Gormley, Tacita Dean, Richard Long, Margret Mellis, Mariele Neudecker, Eduardo Paolozzi, Robert Rauschenberg, Ed Ruscha oder Kurt Schwitters. Die Rückseite beschreibt, wie das jeweilige Kunstwerk hergestellt wurde, was sein Thema ist, und sie erklärt, wie eine Arbeit funktioniert. Vor allem aber regt sie explizit und ausführlich dazu an, eine eigene Arbeit nach den Regeln und Vorgaben des Originals anzufertigen. Egal, ob die Auseinandersetzung mit den Medien und Konzepten dann im Denkmodell umgesetzt wird oder zu konkret mit dem Material ausgeführten Experimenten führt, die durch das Bearbeiten der Werkstoffe, das Unterlaufen von (selbst auferlegten) Beschränkungen oder das Einbeziehen des Zufalls unmittelbar erleben lassen, wie Kunst entsteht: Die „Kunstbox“ vermittelt Kunst über die Auseinandersetzung mit ihrer Herstellung. Dabei setzt sie voraus, dass jeder Kunstwerke herstellen kann, leitet erfrischend unkompliziert dazu an und garniert das mit aufschlussreichem Hintergrundwissen. Auch Kunstschaffende werden hier noch interessante Anregungen finden.

 

kunstkiste_innenansicht
Die Kunstkiste enthält ein Buch und 64 Karten

Wo die „Kunstkiste“ auf Objekte, Fotografien, Malereien und Installationen der Moderne und der Gegenwart fokussiert, widmet sich „Das nennt ihr Kunst?“ ausschließlich der Skulptur der Moderne. Angelegt als interaktives Medium, liefert die Buchbox einerseits den theoretischen Hintergrund, indem sie einen Überblick über die Geschichte der Bildhauerei und die Epochen der Kunstgeschichte von der Vorgeschichte und Antike über Mittelalter, Renaissance und Barock bis hin zur Moderne bietet. Zudem werden die Kunstrichtungen und „-ismen“ der Moderne in einem erklärenden Glossar aufgelistet. Zehn Doppelseiten präsentieren mit Hans Arp, Constantin Brancusi, Alexander Calder, Lygia Clark, Marcel Duchamp, Naum Gabo, Louise Nevelson, Isamu Noguchi, Pablo Picasso und Auguste Rodin bedeutende Bildhauer der Moderne mit einem ihrer bekanntesten Werke. Dabei stellt der Text die besonderen Merkmale heraus, die den jeweiligen Künstler beziehungsweise seine Werke charakterisieren und ordnet seine Kunst einem Stil der Moderne zu.

Kunstkiste - Innenansicht
David Carter, James Diaz - Das nennt ihr Kunst?! - Innenansicht
David Carter, James Diaz - Das nennt ihr Kunst?! - Innenansicht
David Carter, James Diaz - Das nennt ihr Kunst?! - Innenansicht
Kunstkiste - Innenansicht
David Carter, James Diaz - Das nennt ihr Kunst?! - Innenansicht

Andererseits macht sich die Box in einem praktischen Teil die Tatsache zunutze, dass viele Künstler zunächst kleinformatige Modelle anfertigen, bevor sie mit der Arbeit an einer Skulptur beginnen. Mit mehr als 100 Ausstanzelementen aus stabiler Pappe stellt sie Interessierten umfassendes Material zur Verfügung, um selbst kreativ zu werden und kleine Skulpturen zu entwickeln. Mithilfe von Bauanleitungen können sechs vorgegebene Skulpturen nachgebaut werden. Das vermittelt ein Gefühl für die Anwendung und das Zusammenspiel der einzelnen Elemente, es werden Erfahrungen mit Gewichtsverhältnissen, Proportionen und Bewegungen gesammelt und es wird zu eigenen künstlerischen Experimenten und kreativen Lösungen inspiriert. So wird Kunst erlebbar und das Interesse an ihr nachhaltig geweckt.

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