Sie steht ganz am Anfang, ist elementar für Aufbau und Komposition eines Werks und mitbestimmend für seine Wirkung: Der Wahl des Bildformates kommt im malerischen Schaffensprozess besondere Bedeutung zu. Das traditionelle Querrechteck, den Sehgewohnheiten am ehesten vertraut, kann ganze Erzählungen ins Bild setzen oder ein spannungsvolles Miteinander. Das Hochrechteck leitet den Blick nach oben, und die Kreisform des Malgrundes mit seinen symbolbefrachteten Konnotationen war als „Tondo“ vor allem in der Renaissancemalerei beliebt. Diese Klassiker werden natürlich ergänzt durch viele andere Formate – wie z.B. das oft als romantisch assoziierte Oval oder auch das „Handtuchformat“, das in den 1920er-Jahren gern seinen Platz über dem Ehebett fand. Doch wie verhält es sich eigentlich mit dem Quadrat?

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Foto: Ina Riepe

Es gibt weder Augen noch Inhalten eine Richtung vor, mit einem Goldenen Schnitt ist ihm natürlich nicht beizukommen, es präsentiert sich harmonisch, geschlossen und ausgewogen. Geometrisch gesehen ist es ein gleichseitiges und gleichwinkliges Rechteck, das zu seiner Konstruktion nur eine Längenvorgabe benötigt – nämlich die einer Seite oder aber der Diagonale. Das Quadrat ruht in sich und ist in seiner Autonomie der Kreisform am nächsten. Die „Quadratur des Kreises“ – also der Versuch, aus einem Kreis ein Quadrat mit identischer Fläche zu konstruieren – ist seit Jahrhunderten eines der populärsten mathematischen Probleme und hat als Bezeichnung einer schier unlösbaren Aufgabe Eingang in zahlreiche Sprachen gefunden.

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Wenn in früheren Jahrhunderten nicht der Zufall oder schlicht die Materialverfügbarkeit die Verwendung quadratischer Formate begründeten, so trat der bewusst gewählte quadratische Malgrund erst mit der Kunst des 20. Jahrhunderts seinen Siegeszug an – und dies natürlich mit Malewitschs Schwarzes Quadrat auf weißem Grund, das in seiner Strahlkraft auf die Kunst der Moderne kaum seinesgleichen findet. Seither haben viele Künstler die quadratische Form genutzt – Josef Albers, Piet Mondrian oder Gotthard Graubner, um nur wenige zu nennen. Weltberühmt sind die glamourösen seriellen Siebdrucke Andy Warhols von Marilyn Monroe, ein populärer Filmstill in letztlich unzähligen Farbvariationen – eingeschrieben ins Quadrat und ebenso multipliziert wie seine Blumenserien.

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Das Quadrat bietet unzählige Möglichkeiten: Es bekommt Struktur und Tiefe durch Farbe, gibt unterschiedlichsten eingeschriebenen Formen Halt, trägt und vereint auch widerstrebende Strukturen. In der minimalistischen Ästhetik ist es elementar – gleichsam als Symbol für Schlichtheit. Das Quadrat steckt im mittelalterlichen Proportionierungsverfahren der Architektur und in der Quadrierung ebenso wie als grundlegende Form in der mathematischen Parkettierung (Bedeckung einer Ebene durch gleichförmige Teilflächen) – und all dies verweist bereits auf einen seiner größten Vorzüge: Das Quadrat als Kernelement modularer Systeme. Quadrate können Raster bilden – auch auf Zeichenblock oder Transfermedium. Aus zusammengefügten Quadraten können Rechtecke ebenso entstehen wie größere Quadrate, sie lassen sich horizontal reihen und vertikal. Und bei der Wahl eines quadratischen Malgrundes sind kaum Grenzen gesetzt: Ob als Leinwand, als Papiere, als Malpappe, als Acrylglas-Bildträger, als Aluminium-, Holz- oder Eisen-Malgrund, als Gesso-Malplatte, als Holz-Malkörper, Faserplatte oder gleich als Würfel – alle bieten sich an für die Experimentierfreude im Quadrat.

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