Ausstellung

Die fulminante Erneuerung der Malerei

Gerhard Richter zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Sein Gesamtwerk, das im Laufe von über sechs Jahrzehnten entstand, zeichnet sich durch eine ungewöhnliche thematische und stilistische Vielfalt aus. Große internationale Ausstellungen – etwa in Venedig, in Paris, New York und London würdigten sein Schaffen, und ganz besonders ist Gerhard Richter der Stadt Köln verbunden, in der er seit 1983 lebt und arbeitet.

Anlässlich seines 85. Geburtstages widmet ihm dort das Museum Ludwig die Ausstellung „Gerhard Richter. Neue Bilder“: Hinter diesem eher zurückhaltenden Titel verbirgt sich eine umfassende Hommage an einen Künstler, der seit einem halben Jahrhundert an der fulminanten Erneuerung der Malerei arbeitet. Sein weit gespanntes Œuvre fasziniert durch das Spannungsverhältnis von Figuration und Abstraktion, von Bedeutung und Banalität. Zu sehen sind im Museum Ludwig 26 neue, abstrakte Bilder sowie 30 wegweisende Werke aus der eigenen Sammlung.

Zum Glück, erinnert sich Museumsdirektor Yilmaz Dziewior, sei alles anders gekommen als geplant. Ursprünglich habe man den Malerstar zu seinem Geburtstag mit einer Werkschau aus den Beständen des Hauses ehren wollen – darunter z.B. Ema (Weiblicher Akt auf einer Treppe, 1966), Betty (1977), 48 Porträts deutscher Geistesgrößen, das abstrakte Werk Krieg von 1981 bis hin zur Glasarbeit 11 Scheiben aus dem Jahr 2003. Etwa drei Monate vor Ausstellungsbeginn sei Gerhard Richter selbst an das Museum herangetreten, um über diese Planungen zu sprechen. „Was haltet Ihr davon, wenn wir das ergänzen mit neuen Arbeiten, die ich im letzten Jahr angefertigt habe?“, so der Vorschlag des ansonsten eher öffentlichkeitsscheuen Künstlers – und natürlich habe man dieses unverhoffte Angebot im Museum Ludwig nur zu gern angenommen. Die neuen Bilder, so Dziewior, seien durchaus in den Traditionen des Gesamtwerks zu verorten, jedoch: „Das Besondere ist, dass Gerhard Richter in den neuen Bildern die unterschiedlichsten Formate und die unterschiedlichsten Materialien durchdekliniert.“ Daher sind Leinwandbilder ebenso zu sehen wie Werke auf Holz oder Metall, kleine Arbeiten stehen neben großen Formaten, und die neuen Werke sind spannungsreich parallel zu den Werken aus dem Bestand platziert. Diese ebenfalls von Gerhard Richter eingerichtete Sammlungspräsentation zeigt zusätzlich viele Editionen, in denen der Maler seine Mittel und seine Fragestellungen nach Bild und Abbild noch einmal erweitert. Diese Editionen sind mitunter schon lange in der Sammlung des Museum Ludwig, teilweise sind es jedoch auch Geschenke, die Sammler aus dem Rheinland und der Künstler selbst anlässlich seines 85. Geburtstags dem Haus übergeben haben.

Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden, wuchs in der Oberlausitz auf. Nach einer Ausbildung zum Schriften- und Bühnenmaler nahm er 1951 ein Studium an der Kunstakademie Dresden bei Karl von Appen und Heinz Lohmar auf. Nach seiner Flucht in den Westen studierte er erneut an der Kunstakademie Düsseldorf, gemeinsam mit Sigmar Polke, Gotthard Graubner, HA Schult, Kuno Gonschior und Konrad Lueg, mit dem er den „Kapitalistischen Realismus“ ausrief, sich aber in der Folge jeglicher Einordnung in Stilbegriffe oder Strömungen konsequent entzog. Nach einer Gastdozentur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg wurde er 1971 auf eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf berufen, wo er bis 1993 lehrte.

Der Zweifel an der Darstellbarkeit von Realität und die Frage nach der Bedeutung des gemalten Bildes liegen Richters Schaffen durchgängig zugrunde. Mit Pinsel, Spachtel, Rakel und Messer bearbeitet der Künstler heute die in mehreren Schichten aus Ölfarbe aufgebauten Bilder; seine lange Erfahrung – auch in der Einbeziehung des Zufalls in den Entstehungsprozess – führt zu detailreichen und äußerst komplexen Werken. „Jedes Bild ist anders, einige, vor allem die Großformate, bestechen durch eine lustvolle, klare Farbigkeit, wobei die Farboberflächen vielfach aufgebrochen und fragmentiert sind, sodass die Farben darunterliegender Schichten als scharf konturierte oder verwischte Formen aus der Vergangenheit nach oben steigen“, schreibt Kuratorin Rita Kersting im Ausstellungskatalog. „In einigen kleineren Bildern weicht das komplizierte Allover der hochdifferenzierten Strukturen strengeren Kompositionen, die auf breiten, dunkleren Zonen basieren; die malerischen Gesten sind relativ groß, das kleinere Maß erlaubt und betont vielleicht sogar die leichtere Beherrschbarkeit durch den Betrachter.“

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gratuliert dem Künstler und Ehrenbürger der Stadt: „Die Verbundenheit von Gerhard Richter mit dem Museum Ludwig und der Stadt Köln ist ein großes Glück. Sein international so bedeutendes Werk entsteht hier in unserer Stadt. Umso mehr freue ich mich, dass nun auch seine neuen Bilder in Köln erstmalig zu sehen sind.“ Für Yilmaz Dziewior ist die Entscheidung von Gerhard Richter, seine neuen Bilder erstmals im Museum Ludwig zu zeigen, Anerkennung und Ansporn zugleich: „Dass Gerhard Richter ausgerechnet das Museum Ludwig als Ort der erstmaligen Präsentation seiner neuen Bilder auswählt, belegt einmal mehr das langjährige und intensive Verhältnis des Künstlers zu unserer Institution und spornt uns an, dieses noch zu vertiefen.“

Im Anschluss werden die 26 neuen Bilder im Albertinum in Gerhard Richters Geburtsstadt Dresden gezeigt. Dort wird schon jetzt – ebenfalls zum 85. Geburtstag des Künstlers – die Ausstellung „Benjamin Katz fotografiert Gerhard Richter“ präsentiert – feinfühlige Momentaufnahmen der Begegnung zwischen Künstler und Fotograf, die beide in Köln leben und die eine langjährige Freundschaft verbindet. Benjamin Katz studierte seit der Mitte der 1950er-Jahre an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und arbeitet seit 1976 als freier Fotograf. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine Künstlerporträts, so etwa von Marcel Broodthaers, Georg Baselitz und Sigmar Polke. Von 2006 bis 2008 lehrte er Fotografie an der Kunstakademie Düsseldorf, und seit mehr als drei Jahrzehnten begleitet er Gerhard Richter mit der Kamera. Durch die enge Beziehung zwischen beiden entstehen seine Fotografien mit einem kleinen Leica-Modell gewissermaßen auf Augenhöhe, fast beiläufig, im Gespräch. Die Schnappschüsse sind somit beredte Zeugnisse eines bestimmten Moments, die dem Betrachter einen sehr privaten Einblick in das Atelier des Künstlers geben.

Auf einen Blick

Ausstellung: Gerhard Richter. Neue Bilder
Ort: Museum Ludwig | Heinrich-Böll-Platz | 50667 Köln
Telefon/ E-Mail: +49-(0)221-221 26165 | info@museum-ludwig.de
Internet: www.museenkoeln.de

Öffnungszeiten
Ausstellungsdauer: Bis 1. Mai 2017
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage): 10–18 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat: 10–22 Uhr, montags geschlossen

Katalog
Gerhard Richter. Neue Bilder. New Paintings
Köln, Museum Ludwig | Dresden, Albertinum. Hrsg. und mit Texten von Yilmaz Dziewior, Rita Kersting, brosch., deutsch/ engl., 72 S. mit farb. ganzs. Abb., 22 x 26 cm, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln/Dresden 2017, ISBN 9783960980940


Ausstellung: Benjamin Katz fotografiert Gerhard Richter
Ausstellungsdauer: Bis 21. Mai 2017

Ausstellung: Gerhard Richter. Neue Bilder
Ausstellungsdauer: 20. Mai bis 27. August 2017
Ort: Albertinum – Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Tzschirnerplatz 2 | 01067 Dresden
Telefon /E-Mail: +49-(0)351-49149731 | albertinum@skd.museum
Internet: www.skd.museum
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, montags geschlossen

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Die umfangreichste Pop-Art-Sammlung Europas. Die drittgrößte Picasso-Sammlung der Welt. Eine der besten Sammlungen zum deutschen Expressionismus. Eine der international bedeutendsten Sammlungen zur Fotografie – in diesem Museum gibt es viele Höhepunkte … Den Grundstock für die Museumsgründung 1976 bildete eine großzügige Schenkung von 350 Werken moderner Kunst von Peter und Irene Ludwig an die Stadt Köln. Seither hat das Museum, das den Namen seiner Stifter trägt, seine Bestände ständig erweitert und zählt heute zu den bedeutendsten Sammlungen von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts weltweit. Auf einem Rundgang begegnen den Besuchern große Namen aus den letzten 100 Jahren, entscheidende künstlerischen Positionen und wunderschöne, aber auch provokative Werke, die Geschichte geschrieben haben und noch schreiben werden.

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