Buchtipp

Das Geheimnis der Palette

Kaum ein Meisterwerk der Malerei entstand und entsteht bis heute ohne eine Palette. Auch als Malerpalette, Malpalette, Farbenpalette, Farbpalette oder Mischpalette bezeichnet, können traditionelle Holzbretter mit Griffloch, Keramikteller oder Plastiktöpfe als solche dienen, aber auch Wände, Böden oder das Mobiliar eines Ateliers.

In der Malerei, hauptsächlich der Ölmalerei, wird zum Mischen der Farben eine Palette verwendet. Man versteht darunter klassisch eine mit einem Daumenloch versehene asymmetrische Tafel aus meist poliertem Holz mit Aussparung. In dieser charakteristischen Form wird die Palette oft als Symbol oder Attribut verwendet und fungiert dann als Sinnbild der Malerei oder Kennzeichnung der „pictura“, der Personifikation der Malerei. Das zeigt die Bedeutung, die der Malerpalette bei der künstlerischen Gestaltung eines Gemäldes traditionell zukommt.

 

Die Palette ist ein wichtiges Bindeglied zwischen den Künstler*innen und ihren Werken. Ihr werden zwei Bedeutungsebenen zugeschrieben: die tatsächliche und die symbolische. Der Begriff der tatsächlichen Malpalette bezieht sich auf das Medium selbst: Aus welchem Material besteht sie? Können Muscheln oder ein Malkasten, in denen Farben gemischt werden, bereits als solche betrachtet werden? Der Begriff der symbolischen Palette bezieht sich auf die ganz persönliche Anordnung der Farben und das verwendete Farbspektrum eines Künstlers.

Johann Heinrich Orell beschreibt in seinem Handbuch „Vollständige theoretische und praktische Geschichte der Erfindungen“ (1795) die Handhabung der Palette folgendermaßen: „Der Maler führet also auf diesem Brette die Farben, die er gebraucht, bey sich. Oben stehen die einfachen, unten die gemischten Farben“. In diesem Sinne gibt eine Palette Auskunft über die Vorlieben und Praktiken der Künstler*innen, auch die verwendeten Materialien können an ihr abgelesen werden.

Welche Pigmente und Bindemittel wurden verwendet? Wurden die Farben in Ruhe oder hektisch gemischt? In welchem Rhythmus wurde der Pinsel geführt? Das alles erkennt Alexandra Loske in ihrem Buch „Die Farben der Kunst“, das bei Hatje Cantz erschienen ist. Darin bringt sie ihrer Leserschaft Kunst und Künstler*innen aus fünf Jahrhunderten anhand ihrer Malpaletten näher. Die heutzutage nur noch vergleichsweise wenig beachteten Paletten und ihre Farben erzählen hier sehr eindrücklich vom Entstehen eines Bildes.

Anschaulich und lebendig beschreibt Alexandra Loske die Paletten, Pinselstriche und Techniken von mehr als 50 Künstler*innen vom 17. Jahrhundert bis heute, darunter Artemisia Gentileschi, Paul Cézanne, Berthe Morisot, Vincent van Gogh, Gabriele Münter, Henri Matisse und Keith Haring. In der bildlichen Gegenüberstellung von Palette und Kunstwerk wird der Zusammenhang besonders augenfällig. Wie Vorstudien wirken die bis heute erhaltenen Mischpaletten, ihre wichtige Rolle als Planungsunterlage für den Farbauftrag wird in den außergewöhnlichen Werkbetrachtungen der Autorin erkennbar.

Alexandra Loske erzählt Kunstgeschichte erfrischend anders, vom konkreten Entstehungsprozess her. Sie untersucht das Malwerkzeug in Hinblick auf die Farbkonzepte und die Farbwirkung, und sie erklärt den Farbauftrag berühmter Maler*innen und ihrer Bilder anhand der von ihnen verwendeten Mischpalette. Hier ist die Palette Protagonist, das Bindeglied zwischen Künstler*in und Werk. Ein Buch das neugierig macht, Zusammenhänge aufzeigt und mit aufschlussreichen Einblicken für Kunstschaffende unbedingt empfehlenswert ist.

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Malpaletten aus fünf Jahrhunderten

Kaum ein Meisterwerk der Malerei entstand und entsteht bis heute ohne eine Farbpalette – seien es traditionelle Holzbretter mit Griffloch, Keramikteller oder Plastiktöpfe, seien es Wände, Böden oder gar das Mobiliar eines Ateliers. Die Mischpaletten und ihre Farben erzählen eindrücklich vom Entstehen eines Bildes. Anschaulich und lebendig beschreibt Alexandra Loske die Paletten, Pinselstriche und Techniken von mehr als fünfzig Künstler*innen vom 17. Jahrhundert bis heute, darunter Artemisia Gentileschi, Paul Cézanne, Berthe Morisot, Vincent van Gogh, Gabriele Münter, Henri Matisse und Keith Haring: eine farbenfrohe Geschichte der Malerei anhand ihrer Materialien!

256 S. , 21,6 x 27,2 cm, geb., dt., Hatje Cantz 2024

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