Die Bildhauerin Jaana Caspary lotet das Potenzial elementarer Formen aus
Seit einigen Jahren sorgt die Wuppertaler Bildhauerin Jaana Caspary (*1988) mit ihren abstrakten, monochromen Skulpturen in Acryl-Gießharz, Stein oder Bronze für Furore. Viele dieser Skulpturen werden von Farbstiftzeichnungen und Fotomontagen begleitet und sind durch einzelne verwandte, schon für sich ausgearbeitete Grundformen gekennzeichnet. Jaana Caspary vergegenwärtigt in ihren Groß- und Kleinplastiken die Präsenz derartiger Module im kollektiven Alltag, aber auch in der Natur, und stellt immer wieder den Variantenreichtum und die Vielschichtigkeit ihrer Bedeutungen unter Beweis.
Häufig stehen Kissen, Matratzen oder aufblasbare Objekte wie Planschbecken für sich und werden in unterschiedlichen Größen und Materialien verfremdet. „In vielen ihrer Werke fügt Jaana Caspary elaborierte Grundformen aneinander und zwar in Wiederholungen, Spiegelungen, auch kopfüber, auf- und nebeneinander als Module und zueinander versetzt“, beobachtet Thomas Hirsch. Dabei spielt sie unterschiedliche Konstellationen durch. „Sie weist auf das skulpturale Potenzial, das in der Form selbst steckt, und sie veranschaulicht und untersucht, wie sich mit dem Wechsel der Anordnung der analogen Elemente die Assoziationen ändern,“ so der Kunstjournalist in seinem Text zu den Wand- und Sockelskulpturen in Bezug auf „upside down“, eine Großskulptur, die im Skulpturenpark Waldfrieden zu sehen ist und deren Grundform auf einen aufblasbaren Weihnachtsbaum zurückzuführen ist.
Mit „umformung“ liegt nun die erste umfassende Monografie zum Werk von Jaana Caspary vor und gibt einen Einblick in ihren künstlerischen Schaffensprozess. Es werden darin die wichtigsten Werkgruppen und Schlüsselpositionen der letzten zehn Jahre vorgestellt. Auf über 270 Seiten dokumentiert das Buch die künstlerische Entwicklung der Künstlerin während des vergangenen Jahrzehnts mit einem besonderen Augenmerk auf die jüngeren Ausstellungen.
Darin ist der hier bereits zitierte Beitrag „Vom Potenzial elementarer Formen“ von Thomas Hirsch einer von vier Texten namhafter Beitragender, die die Einordnung des Werks von Jaana Caspary, die Beschreibung ihrer Vorgehensweise und das Herausarbeiten ihrer Themen erschließen.
Der Kunsthistoriker Robert Fleck untersucht „Das skulpturale Werk von Jaana Caspary” und erkennt, dass es sich um vier Themen dreht: um „das Volumen, die Dialektik von autonomer Form und von Oberflächen aus der Alltagswelt, um die Verbindung des Organischen mit der Virtualität sowie um den Eigenwert des Materials.“ In seinen Augen hat sich die Künstlerin seit 2014 in allen vier Bereichen ein Repertoire erarbeitet, das außergewöhnlich eigenständig ist.
Jaana Casparys Skulpturen changieren zwischen Gefundenem und Erfundenem. Sie entstehen durch Formfindung, durch Um- und Abformung.
Marlene Baum beschäftigt sich in ihrem Text „’upside down’. Begegnungen” mit der praktischen Entstehung der Skulpturen. Sie begleitete Jaana Caspary eine Zeit lang bei der Arbeit und beschreibt den Schaffensprozess von der Ideenfindung bis zur Umsetzung: „Die Künstlerin lässt sich von denkbar banalen Gebrauchsgegenständen aus Plastik inspirieren: aufblasbarem Kinderspielzeug, Sitzmöbeln, Luftmatratzen oder Kissen. Sie überzieht diese Produkte der Konsumwelt mit mehreren Schichten von Modelliermassen, die ihnen Festigkeit verleihen, poliert sie und versieht sie mit metallisch schimmernden oder hochglänzenden Farben. Auf Augenhöhe präsentiert werden die Objekte zu fremdartigen Statuen, zu Ikonen der Überflussgesellschaft, (inhalts)leer, aufgeblasen und dennoch fast feierlich und unnahbar. Wenn Jaana Caspary ihre Objekte verdoppelt oder spiegelt, wird das Spiel zwischen Form und Inhalt noch raffinierter, manchmal wirken sie komisch oder, bei kurvigen Formen, erotisch, weil sie an paarige Körperteile erinnern. Zugleich verleiht das Paarige den Gegenständen eine merkwürdige formale Strenge, die ihnen in ihrer ursprünglichen Gestalt abging. Alles ist perfekt inszenierte Oberfläche, schwingende Bewegung, im Licht changierend, voluminös und zugleich fragil, edel, frech und nicht zuletzt hintergründig humorvoll.“
Das umfangreiche Buch bringt all diese Facetten im Werk von Jaana Caspary üppig bebildert zum Ausdruck. Großformatige Farbzeichnungen und Fotomontagen begleiten die Skulpturen, gehen ins Detail oder zeigen einzelne Arbeiten im Kontext von Ausstellungsansichten. Sie verweisen auf Strukturen und Module. Es wird deutlich, dass sich die Ideen und die Schaffenskraft der experimentierfreudigen und findigen Bildhauerin zwar auf ihre Skulpturen konzentrieren, sich aber nicht auf die Objekte beschränken.
Über die Autorin
Jaana Caspary (*1988 in Wuppertal) studierte von 2007–2014 an der Kunstakademie Düsseldorf und erhielt 2014 den Akademiebrief als Meisterschülerin bei Prof. Didier Vermeiren. Von 2005 bis 2016 war sie als Assistentin im Atelier von Tony Cragg tätig und gründete 2016 in Wuppertal den Ausstellungs- und Projektraum „Raum2“ (Interventions – zusammen mit der Galerie Grölle). Seit 2011 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen sowie Preise und Stipendien.