Der Maler Bernhard Krug
Albrecht Dürer besuchte 1520 in Antwerpen den flämischen Maler Joachim Patinir. Im Tagebuch nennt Dürer ihn den „gut Landschaftsmaler“. Ein neuer Begriff in der Kunstgeschichte, der einen Wandel in der Malerei und in der Auffassung und Wiedergabe der natürlichen Welt anzeigt. Die Proportionen haben sich verschoben: Die Figuren sind kleiner geworden, und sie stehen manchmal geradezu fremd, und isoliert in der Weite der Natur herum. Die Landschaft steht über der Figuration. Zuerst wird die Landschaft gemalt, die Figuren werden nachträglich als Beiwerk hinzugefügt, möglicherweise nicht einmal von Patinir selber. Wir wissen, dass mitunter der Malerkollege Quentin Massys bei den Figuren ausgeholfen hat. Patinir waren sie wohl nicht wichtig genug.
Noch ist es keine Abschilderung eines Naturortes, der im Detail identifizierbar wäre. Aber die Landschaft ist schon eine Vorstellung von etwas, das außerhalb der eigenen Sphäre existiert. Diese Distanz ist die Voraussetzung dafür, Landschaft als Bild zu vereinnahmen. Das Große wird ins Kleine, ins Übersichtliche gebannt. Sie ist nicht einfach vorhanden, sondern ein Gegenüber und eine Abstraktion der unendlichen Vielfalt der Natur. Landschaft selbst ist der Ort von Bedeutung. Diese liegt aber nicht mehr außerhalb ihrer Erscheinung im Bild als religiöse oder mythologische Botschaft. Sie findet sich in den Konstellationen der landschaftlichen Natur selbst, in den Wäldern, Bergen, Wassern und Wegen. Hier entdecken die Maler immer noch und immer wieder ein Faszinosum, das jenseits von äußerer religiöser oder moralischer Vorgabe bildwürdig ist und Sinn ergibt.
Bernhard Krug greift in seiner Landschaftsmalerei auf dieses große Thema zurück. Bereits die frühen Werke seit den 1970er-Jahren zeigen dies im Modus einer durchaus berechneten Bildkomposition. Landschaft wird zum sinnfälligen Konstrukt mit klarer Tektonik (Erdriss 28, 1973). Seither ist das Landschaftliche ein durchgehendes Thema mit etlichen Variationen und Modifikationen. Insofern lässt sich an diesem Werk die spannungsvolle Beziehung von Natur und Bild, von dreidimensionaler Wirklichkeit und zweidimensionaler Fläche studieren.
Wenn man von Landschaftsmalerei spricht, wird man, bei aller Abstraktion, immer bestimmte Merkmale wiederfinden wollen. Diese Bestandteile kann man benennen: Himmel, Horizont, Erde, Berge, Wasser. Die Wiedererkennbarkeit dieser Elemente, wie konkret und detailgenau auch immer, ist die Voraussetzung für ein Landschaftsbild. Ihre Auswahl und Anordnung bestimmt das Bildganze. Entscheidend ist aber der Anfang: das Bildformat. Hier sind die Grenzen des Bildes einerseits und der darin einzuschließende Wirklichkeitsausschnitt andererseits festzulegen. In den frühen Bildern des Künstlers geschieht dies durch klare Proportionierung von Himmel, Horizont und festem, blockartigem Grund, von Oben und Unten, vorn und hinten. Raumillusion und Flächenordnung stehen in einem offenen Wechselverhältnis (Schottland-Block, 1985).
Was zu Anfang noch so klar geordnet ist, reduziert sich in den weiteren Phasen. Die Bereiche verschwimmen, gehen ohne klare Grenzziehung ineinander über.
Dies verstärkt sich noch einmal nach einer eher realistischen Phase (Landschaft bei Venne, 1986), die sich insbesondere auch in den Zeichnungen zeigt. Danach scheint sich das Landschaftliche zunehmend in Malerei aufzulösen. Der Blick wird fragmentarischer (Landschaftsfragment, 1995). Das Bild gewinnt zunehmend autonom gegenüber seinem Gegenstand.
Bernhard Krug versucht nun der Autonomie der Landschaft mit dem autonomen Bild gerecht zu werden. Er umschreibt das mit dem Begriff der „Grammatik der Landschaft“. Das sind die Kompositionsprinzipien, die sich in der Natur finden lassen. „Harmonie parallel zur Natur“ hat Cézanne das genannt, denn „alle Natur formt sich gemäß Kugel, Kegel und Zylinder!“.
Zugleich heißt das aber auch, anzuerkennen, dass Bild und äußere Natur sehr unterschiedliche Sphären sind, die grundsätzlich nicht in eins zu bringen sind. Landschaftsmalerei ist eben nicht Landschaft. Auch die naturalistische Wiedergabe noch der kleinsten Details darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bilder, sofern sie sich auf die äußere Wirklichkeit beziehen, immer Illusion sind. Das gilt selbst für einen Realisten wie Gustave Courbet, der den Sand der von ihm wiedergegebenen Landschaft in die Farbsubstanz und ins Gemälde eingebracht hat.
So groß der Gegensatz auch sein mag, bietet das Sujet der Landschaft doch ein großes Potenzial für die Malerei – vor allen anderen künstlerischen Medien. Alles, was man als Manko der Malerei angesichts ihrer Unfähigkeit der adäquaten Darstellung ihres Gegenstandes anlasten kann, ist zugleich ihr größter Reichtum. Das, was im Bilde zu sehen ist, darf man eben nicht nur als Abbild, als billigen und fehlerbehaftete Wiedergabe einer äußeren, optisch erfahrbaren Wirklichkeit betrachten, sondern als eine Wirklichkeit eigenen Rechts, das sich durch die menschliche Vorstellungskraft legitimiert. Man kann sagen, dass Bernhard Krug weniger eine gesehene Landschaft abschildert als vielmehr erfindet. So hat es bereits der der englische Maler Alexander Cozens 1785 gesagt, dass man Landschaft „erfindet und nicht bloß abschildert“.
Krug aber erfindet die Landschaft nicht nur, er überschreitet sie auch durch Intensivierung des Malerischen. Wesentliches Mittel ist dabei die Betonung der Stofflichkeit des Malmaterials. Die Ölfarbe entwickelt auf der Bildfläche eine eigene Dynamik und zeigt eine unmittelbare Präsenz, die der Mittelbarkeit der Landschaft spannungsvoll entgegensteht. Malerei erzeugt auf diese Weise eine haptische Nähe, während die Landschaft zur fernen Erscheinung wird.
Das Spannungsverhältnis von Nähe und Distanz ist bei Krug auch ein Verhältnis von Fläche und Raum. Neben dem immer noch gegebenen illusionistischen Raum durch Himmel, Erde und Horizont, nahem Vordergrund und fernem, oft im Sfumato verschwindenden Hintergrund, ergibt sich nun auch in der Nahsicht des Bildes ein reliefartiger Raum auf der Oberfläche der Leinwand selbst (Landschaftsfresko [Rhein], 2000). Er reklamiert eine Nähe, die mit der uns fremd- und ferngewordenen Natur kaum mehr gegeben ist. Und zugleich bewahrt er im autonomen Bild die Idee einer erhabenen Größe, die über eine nur oberflächliche Schönheit hinausweist.
Farbe, wie reduziert auch immer, ist die Essenz der Malerei. Eine gegenständliche Bildauffassung, die sich mit der äußeren Natur beschäftigt, hat sich auch mit deren Farbe auseinanderzusetzen. Eine „natürliche“ Farbigkeit ahmt die Natur nach und versucht, im Bild dem Naturvorbild möglichst nahe zu kommen. Dabei wird aber deutlich, dass die Farben auf der Leinwand allenfalls als Ersatz Landschaftlichkeit andeuten können. Sie repräsentieren den Farbeindruck lediglich als natürlich.
Im Werk von Bernhard Krug lässt sich das beispielhaft zeigen. Er geht einen Mittelweg. Weder huldigt er einer expressionistischen Falschfarbigkeit noch einem simplen Naturalismus. Farbe lehnt sich bei ihm an den Farbton der Natur an, übersteigert ihn aber auch. Das führt zu einer Emotionalisierung des Bildeindrucks, bis hin zu einer Stimmungshaftigkeit, die sich sowohl dem Gegenstand wie auch der Malerei direkt verdankt.
Das Bild Emslandschaft (2016) kann dafür ein Beispiel sein. Das Grün der Bäume, Sträucher, Pflanzen und Moose ist hier ins Giftgrüne gesteigert. Es greift spiegelnd auch in den hellen Wasserlauf über, der sich aus der beengten Bildmitte bis an die vordere Bildkante erstreckt. Strahlendes Hell und tiefstes Dunkel ergeben nicht nur einen größten Bildkontrast und eine Dramatik der Gegensätze, sondern auch eine Einheit im Farbklang, so dass die Ganzheit des Bildes gewahrt bleibt.
Bergstück 2015 hat eine ganz andere Farbigkeit. Ein umfassendes, kaltes Blau, von intensiv zu verwaschen und blass, beherrscht die Szene. Eine harte Bergkontur setzt sich gegen die weite Ferne des Himmels ab. Die Bergkuppe erstrahlt im Licht, während der Fuß der Berge am unteren Bildrand im Dunkel versinkt. Dazwischen fließen weiche Nebelschwaden die Bergflanke hinauf. All das ist hochdifferenziert und eine große malerische Herausforderung. Dieser Gegensatz von hart und weich, oben und unten, vorn und hinten, bewegt und statisch erhebt das Werk formal und inhaltlich zu großer Erhabenheit.
Sujet, Form, Farbe – das vereint sich im Werk von Bernhard Krug zu einer Ganzheit eines in sich schlüssigen Werkes.
Sehr schöne und eindruckvolle Bilder. Ich bin auch ein Landschaftmaler seit 1980 und arbeite auch mit Photo’s als Ausgangspunkt: https://www.behance.net/JeanHacquin
Herzlichen Dank für Ihr positives Feedback – das wissen wir sehr zu schätzen! Viele Grüße, ihr boesner-Team