Zum 70. Geburtstag würdigt eine Doppelausstellung in Dresden und Essen den Künstler
William Kentridge ist einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart und eine der wichtigsten Stimmen zeitgenössischer Kunst. Er druckt, filmt, inszeniert, zeichnet und experimentiert mit angrenzenden oder auch für ihn neuen Feldern – Tapisserie, Schattenspiel, Theater, Oper … Im April dieses Jahres ist der Künstler 70 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass wird in enger Abstimmung mit dem Künstler dessen vielschichtiges Werk in einer Doppelausstellung in Dresden und Essen gewürdigt.
1955 in Johannesburg geboren, ist für William Kentridge der Ausgangspunkt seines Schaffens das südafrikanische Apartheidregime und dessen Überwindung. In seinen Werken setzt er sich mit den politischen und gesellschaftlichen Realitäten seines Heimatlandes auseinander und verbindet persönliche Erzählungen mit globalen Themen. Das eröffnet einen Resonanzraum, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft. Zur Debatte stehen auch die Nachwirkungen kolonialer Strukturen und universelle Fragen von Unterdrückung und Ausgrenzung, von Aufbegehren und Selbstermächtigung, im Spannungsverhältnis von Triumphen und Klagen. Dabei berührt Kentridges Bildsprache intellektuell wie emotional. Er versteht es, seine komplexen Themen eindringlich und auf ebenso prägnante wie humorvolle Weise anzusprechen, ihre Ambivalenz mal poetisch, mal radikal konkret zu formulieren.
Das Folkwang-Museum in Essen zeigt eine umfassende Werkschau des Künstlers: Mit rund 160 Exponaten aus fünf Jahrzehnten umspannt die Ausstellung die gesamte künstlerische Laufbahn von William Kentridge. Zu sehen sind neben Zeichnungen und animierten Filmen auch Druckgrafiken, Skulpturen, Tapisserien sowie Mehrkanal-Filminstallationen. Dabei eröffnen Themen wie der Aufstieg und Niedergang von Johannesburg, das nach Goldfunden im späten 19. Jahrhundert einen enormen Aufschwung als Minenstadt erlebte, Bezüge zu industriellen Entwicklungen in Essen und im Ruhrgebiet. In der Ausstellung spielt auch der Kolonialismus europäischer Mächte in Afrika eine wichtige Rolle, darunter nicht zuletzt das Deutsche Reich. Auch Kentrigde selbst kommt in einem Film zu Wort, in dem er sich mit künstlerischen Positionen, seinem Werk und der Zusammenarbeit mit dem Team auseinandersetzt.
Ein Hauptwerk von William Kentridge ist die mechanische Miniaturbühne „Black Box/Chambre Noire“ (2005), die als Leihgabe des Louisiana Museum of Modern Art erstmals seit vielen Jahren in einem deutschen Museum gezeigt wird. In diesem Werk verknüpft Kentridge die Erinnerung an den Genozid, den deutsche Soldaten 1904 an den Herero in Deutsch-Südwestafrika verübt haben, mit einer pointierten Kritik an der europäischen Aufklärung, in der er den Kolonialismus vorgeprägt sieht. Daneben findet aber auch Kentridges intensive Auseinandersetzung mit Literatur, Theater und Musik Eingang in die Ausstellung. Die Ambivalenz gesellschaftlicher Utopien, die sich oft ins Gegenteil verkehren, ist für Kentridge ein zentrales Thema.
Seit den 1970er-Jahren arbeitet William Kentridge radikal kreativ mit unterschiedlichen druckgrafischen Mitteln und integriert diese in große Projekte. Die Druckgrafik, oft als Medium der Vervielfältigung und Verbreitung verwendet, wird bei Kentridge zum Ausdruck von Prozesshaftigkeit und zur Plattform für kollaboratives Arbeiten mit gesellschaftspolitischer Dimension. Im Gegensatz zur rau anmutenden Essener Schau zeigt das Kupferstich-Kabinett des höfischen Residenzschlosses in Dresden dialogisch die Vielseitigkeit dieses druckgrafischen Œuvres von William Kentridge. Ob riesig oder kleinformatig, in der Technik radikal experimentell, handeln die Holzschnitte und Radierungen von gesellschaftlichen und individuellen Veränderungen. Im Zentrum steht das Thema der Prozession und die Ambivalenz von Triumphen und Klagen. Druckgrafische Werke aus der eigenen Sammlung ergänzen die Präsentation und weiten den Blick auf das Thema in Geschichte und Gegenwart.
Im Albertinum paradieren sächsische Markgrafen, Kurfürsten und Könige hoch zu Ross und mit zahlreichen Begleitern im „Dresdner Fürstenzug“. Sie treffen in der Ausstellung u.a. auf die Filminstallation „More Sweetly Play the Dance“ (2015), einer Prozession von schattenhaften Figuren, die – begleitet vom lebhaften Sound einer Brass-Band – durch eine karge Landschaft ziehen.
In der Puppentheatersammlung im Kraftwerk Mitte erweckt das von Kentridge und Bronwyn Lace gegründete Centre for the Less Good Idea aus Johannesburg mit experimentellen und interdisziplinären Arbeiten die Puppen der Sammlung zum Leben. Neue Sound- und Videoinstallationen stehen neben historischen Objekten oder integrieren diese. Auch Arbeiten von William Kentridge als Puppentheaterregisseur und als Schöpfer animierter Objekte sind zu sehen.
Auf einen Blick
Ausstellung
„William Kentridge. Listen to the Echo“
4. September 2025—18. Januar 2026:
Museum Folkwang in Essen
www.museum-folkwang.de
6. September 2025—15.Februar 2026: Das Residenzschloss in Dresden
www.skd.museum/ausstellungen/william-kentridge