Porträt

Windstille und fließendes Gewässer

Die Mannheimer Malerin Tanja Vetter

Es ist ganz erstaunlich, was Tanja Vetter mit den Möglichkeiten der Malerei und mit den Wirkweisen der Farben auf die Leinwand bringt. Das gilt bereits für ihre Darstellung von Wasser. Ein Bild wie Water Fun (2013) ist phänomenal in seinen Tönen, die die reine Transparenz und die Nicht-Farbigkeit nuancieren. Phänomenal ist auch die Schilderung von fließendem Wasser mittels der Farbmaterie. Großartig sind darüber hinaus die Komposition des Bildraumes und nicht zuletzt die facettenreiche Schilderung, bei der jede Figur Individualität erhält.

Und doch ist es sehr einfach: Im Mittelgrund einer leeren Landschaft stehen fünf Jungs in Badehosen in einer Reihe, daneben befindet sich, deutlich größer, eine Frau im Badeanzug. Während die Frau im Blick auf die Jungen einen blauen Eimer vor sich hält, haben die Kinder ihren über den Kopf gehoben und schütten ihn jetzt gerade aus, teils sind noch die Unterseiten zu sehen. Die größte Sensation in Water Fun aber sind die vier gelben Eimer, die mit den beiden blauen Eimern korrespondieren und als hellste Stellen im Bild leuchten und dabei wie Lampions im Wind unterschiedlich ausgerichtet sind. Und: Wie wäre es, diese kontrolliert gestische, realistische Malerei als zeitgenössische Fortführung der Tradition des holländischen Gruppenbildnisses zu verstehen und unter diesem Gesichtspunkt – in Bezug auf das Hierarchielose der Kinder, die vertikalen Achsen im jeweils eigenen Bewegungsradius, das Verhältnis von Stillstehen und Aktivität, die Rolle der landschaftlichen Umgebung – noch einmal zu betrachten?

Water Fun II, 2013, Öl auf Leinwand, 90 x 120 cm, Privatsammlung  VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn

Water Fun II, 2013, Öl auf Leinwand, 90 x 120 cm
Privatsammlung, Foto: Alexander Horn

Die weiß spritzende, dampfende Atmosphäre hüllt die Figurengruppe ein. Sie formt ihre Schatten und entzieht die Kinder der weiteren Ansicht. Wasser erweist sich als unfassbare Substanz, die durchlässig ist und hier doch zugleich verhüllt. Verfolgen wir dann, wie es schon bald danach mit der Malerei von Tanja Vetter weitergeht, so scheint es, als wären die Figuren in ihrer Mimik, Gestik und Pose hier gerade noch, und sozusagen wie zum letzten Mal, einzigartig ausformuliert und als würden sie anschließend einen stilisierten und anonymen Darstellungsmodus einnehmen, also vom Ausdruck zum Typus wechseln. Zugleich verdeutlicht Water Fun Tanja Vetters Interesse an den Elementen der Natur, ihren Erscheinungsweisen und Wirkkräften.

Tanja Vetter im Atelier © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn

Tanja Vetter im Atelier
Foto: Alexander Horn

Tatsächlich ist die Natur schon früh ein Motiv in ihrem Werk, ja, sie prägt das atmosphärische Klima in ihrer Malerei bis heute und sie initiiert vielfach die Ereignisse. Der Mensch taucht zunächst winzig, aber höchst differenziert im landschaftlichen Raum auf. Damit erhielt Tanja Vetter, die 1973 in Pforzheim geboren wurde, Mitte der 2000er-Jahre erstmals größere Aufmerksamkeit. Sie wurde in rascher Folge zu Einzelausstellungen in Pforzheim, München und Calw eingeladen. Und in Mannheim, wo sie – nach einem Romanistik-Studium in Sevilla und Heidelberg – an der Freien Kunstakademie Rhein-Neckar studiert hat und auch heute wohnt, wurde sie 2009 durch ihre Beteiligung bei dem überregional beachteten Projekt „Artscoutone“ und in einer Einzelausstellung in der kommunalen Stadtgalerie weiter bekannt. 2012 waren ihre Bilder, in denen mittlerweile die Figur mehr Raum einnahm, in der Ausstellung zum „Pfalzpreis für Bildende Kunst“ im Museum Pfalzgalerie in Kaiserslautern zu sehen. 2014 folgte ihre bislang umfangreichste Einzelausstellung in der Herbert-Weisenburger-Stiftung in Rastatt. Tanja Vetter habe „ein Faible dafür, ‚kleine‘, eigentlich alltägliche Szenen so darzustellen, dass sie etwas Besonderes erhalten und Geschichten anreißen, die jeder Betrachter für sich weiterspinnen kann“, schrieb das Badische Tagblatt. Und die Zeitschrift „RAZ“ schwärmte: „Es ist in der Ausstellung bei Weisenburger schon ein ästhetisches Vergnügen, wie die Farbe fließt und tropft und aus lapidaren Farbspuren plötzlich ein Himmel in der Dämmerung wird.“

Was aber sind das ganz am Anfang für Bilder, die so auf den Erscheinungen der Natur beruhen? Die Landschaft ist in ihnen kaum begrifflich fassbar. Sie definiert sich als zersplittertes, das gesamte Bildfeld umfassende und sich sozusagen darüber hinaus fortsetzendes Geschehen mit teils synchron verlaufenden Lichtfeldern und Lichtschneisen: Ihre besondere Attraktion ist das diffuse Flimmern der Farbe, das mit der Bildtiefe und der Impression von Spiegelungen einhergeht. Sichtlich handelt es sich um Malerei als sinnliches Ereignis und um das Reagieren der Farben und der faserig umrissenen Formen aufeinander. In diesem Bildraum aus lockendem Leuchten und abweisend stumpfer Dunkelheit treten die Figuren wie Fremdkörper auf. Sie scheinen auf einer unsichtbaren Ebene vor oder inmitten der landschaftlichen Szenerie abgestellt oder auch nur in diese projiziert. Mitunter lässt sich diese aber auch als Kulisse für das Verhältnis der Figuren zueinander verstehen, erst recht, wenn es sich um zwei aufeinander bezogene, wie ein Paar zusammengehörende Menschen handelt. Manchmal lassen sie in ihrer voluminösen, im Lichtglanz noch an Porzellan erinnernden Konturierung an Puppen denken. Als Paare, mehr noch: wie Geschwister, sind diese Figuren zugleich als Speicher von Erzählungen zu verstehen, erst recht seit der Außenraum – ab etwa 2009 – mit einem moosigen Oliv und steil aufragenden Stämmen als Landschaft klarer definiert ist. Die alten Erzählungen des Zauberwaldes treffen nun auf die neuen Mythen, die im Film und mit der Fotografie überliefert sind und hier sozusagen zitiert werden. So denken wir bei den Kindern das eine Mal an Stanley Kubrick’s Horror-Klassiker „Shining“ (als einem von Tanja Vetters Lieblingsfilmen) und das andere Mal an das berühmte Foto eineiiger, eng zusammengedrängter Schwestern von Diane Arbus.

Die Rast, 2012, Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Die Rast, 2012, Öl auf Leinwand, 90 x 70 cm Privatsammlung, Foto: Alexander Horn
Lazy Days, 2017, Öl auf Leinwand, 80 x 140 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Lazy Days, 2017, Öl auf Leinwand, 80 x 140 cm Foto: Alexander Horn
Auf Abwegen III, 2015, Öl auf Hartfaser, 85 x 68 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Auf Abwegen III, 2015, Öl auf Hartfaser, 85 x 68 cm Foto: Alexander Horn
Auf Abwegen XVI, 2017, Acryl auf Leinwand, 30 x 24 cm, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Auf Abwegen XVI, 2017, Acryl auf Leinwand, 30 x 24 cm Privatsammlung, Foto: Alexander Horn

Generell, meist handelt es sich bei den Akteuren in Tanja Vetters Malerei um Kinder. Mit der Vorstellung von Kindern verbinden wir in der Regel Unschuld und Spieltrieb. Inmitten des Waldes verorten wir sie in den klassizistischen und romantischen Traditionen. Als Repoussoirfiguren, die in die Bildtiefe gewandt sind und die wir also nur von hinten sehen, kennzeichnet sie aber auch eine große Nachdenklichkeit. In dem Bild Die Rast (2012) hängt ein Mädchen im roten Kleid weggedreht vom Betrachter in einem Baum. Es bleibt merkwürdig passiv, ja, wie in Trance. Es scheint zum unergründlich grauen Nachthimmel mit seinen weiß funkelnden Sternen zu schauen, an der Seite befinden sich Zweige mit vereinzelten grünen Blättern. Diese wirken in ihrer spiraligen Anordnung wie symbolische Widerspiegelungen von Gedanken und Gefühlen. Bei anderen Malereien trägt das Schaukeln auf einer Wippe oder in einem Reifen, der an einem Baum befestigt ist, zum Eintauchen in andere mentale Welten bei. Überhaupt zieht sich dieses Zusammenwirken unterschiedlicher Sphären von Gegenwart und Vergangenheit, Nähe und Ferne, Faktizität und Einbildung, Bei-sich-Bleiben und Nach-außen-gekehrt-Sein durch das gesamte Werk von Tanja Vetter. Der Landschaftsraum wird zum Resonanzraum des Erinnerns und Wünschens. Eine zeitliche Epoche lässt sich allenfalls an den Kleidungsstücken, bei den früheren Bildern vielleicht auch an der spezifischen Mimik und Gestik bestimmen: als subtile Verweise auf unsere Gegenwart, um die es schließlich immer in der Malerei von Tanja Vetter geht.

Auch die Weite der Bildräume, die schon die älteren Gemälde kennzeichnet, deutet auf den Abstand des Überschauens wie auch der Erinnerung. Der Wald wird zum Zauberwald: in der Rückbesinnung auf die eigene Kindheit, in der die Bäume ja besonders riesig wirkten. Die Topoi und Chiffren des Märchens klingen an und verweisen auf das Unterbewusstsein mit seinen Archetypen. Die Malerei selbst erweist sich als hinterfragendes Zelebrieren dieser Illusionen. Also, Tanja Vetter schildert die Komplexität des Lebens, in das jeder ausgesetzt ist, hinter den schönen, eingängigen Bildern. Zugleich bringt sie die unbegreiflichen Dimensionen des Kosmos und die Vielschichtigkeit der Natur zum Ausdruck. Immer wieder sind es die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen der Natur, denen sie sich zuwendet. Und sie verdeutlicht dadurch die Naturgesetze, etwa Ebbe und Flut und den jahreszeitlichen Rhythmus und die Gravitation der Erde. Dazu passt, dass die Kinder euphorisch, die Welt um sich herum vergessend, den Schwung der Schaukel ausnutzen und unbewusst gegen die Schwerkraft rebellieren. Dann wieder baumeln die Beine über den Felsvorsprüngen oder gleich im Wasser, in dem sie sich in Verzerrung spiegeln und damit sozusagen (wie übrigens auch beim kopfüber Schaukeln) die Welt umkehren. Die Schauplätze verbinden den urwüchsigen Wald mit dem Idyll der Windstille und zeigen mitunter gewaltige Schluchten. Die Schlucht hält auf Abstand oder sie umfängt und definiert einen Freiraum. Das gilt auch für die Schneisen und Lichtungen in den Wäldern. Ja, schon das Gewässer und das Stürzen der Wasserfälle beschreiben derartige Terrains. Das Verhältnis von Außen und Innen liegt schließlich auch bei Tanja Vetters Malereien einzelner (Holz-) Häuser inmitten der Natur vor. Hier wirken sie in ihrer präzisen Robustheit unzugänglich und verschlossen. Menschen sind keine zu sehen. Ein Zwielicht, das durch das Blattwerk bricht, lässt das Gebäude erst recht verwunschen wirken …

Tanja Vetter muss von ihrer Wohnung in Mannheim lediglich über die Rheinbrücke fahren, kaum zwanzig Minuten dauert es von Haus zu Haus. Das Atelier befindet sich mitten in der Innenstadt von Ludwigshafen. Die vielen Bausünden der Industriestadt im Schatten der BASF sind hier, auf dem Areal hinter dem Wilhelm-Hack-Museum und dem Konzerthaus Pfalzbau, besonders offensichtlich. Das Atelier befindet sich in einem schmucklosen Hinterhof. Dort läuft man auf ein funktional nüchternes Quergebäude zu, eigentlich schon ein Plattenbau, an der rechten Seite geht es eine Eisentreppe hoch, und plötzlich steht man mitten im Atelier. Vom zentralen Raum mit der langen Fensterfront zum Malen geht ein enger Flur ab, der zur Küche und zu einem Bilderlager führt. Aber aller Pragmatismus ist vor den Malereien vergessen. Die Bilder mit ihren Lichtpunkten und den dunklen Zonen rufen Assoziationen an üppige Flora, das Plätschern und Strömen von Wasser, die frische Luft der Gebirge und dessen dumpfes Echo hervor. Tanja Vetter hat immer mehrere Bilder gleichzeitig in Arbeit, die zum Überprüfen an der Wand hängen und nebeneinander lehnen. Auf einer großen Tischplatte liegen etliche Farbtuben, die Pinsel ragen aus Gläsern mit Wasser. Ein paar Fotos liegen beiläufig auf dem Tisch, einige Kunstbände befinden sich an der Seite. Tanja Vetter holt ein Skizzenbuch aus ihrer Tasche, blättert in diesem. Sobald sie mit der Malerei begonnen hat, spielt es als Ideensammlung keine Rolle mehr.

Der Malprozess ist bei Tanja Vetter ein Interagieren von Experiment, Plan und Entdeckung, Vertiefen und Abweichen bis hin zum Einlassen auf die zufälligen Ereignisse im Farbgeschehen. Tanja Vetter nimmt die Fließbewegungen der schräg gehaltenen Leinwand mit den Tropfen und Farbnasen auf und reagiert auf diese. Sie nimmt weitere Farben hinzu und arbeitet partienweise zum Gegenständlichen hin. Sie evoziert den Nachthimmel mit seinen Sternen, indem sie diese aus Farbspritzern deutet. Sie setzt mit dem Pinsel kurze Linien und tupft die Farbe auf. Ihre Malerei ist mithin impressionistisch, gewiss auch expressiv, selbst wenn man den Gestus nur wenig sieht. Schließlich, so sehr die Bilder von Leichtigkeit, ja, Schwerelosigkeit berichten: Es ist ein aufwändiges Zusammenwirken von Erfahrung, Genauigkeit und malerischem Zulassen bis die Malereien fertig gestellt sind. Dies gelingt einmal ganz schnell, dann wieder geht es nur allmählich voran. Tanja Vetter wechselt zwischen den Leinwänden, schon wegen der einzelnen Trockenphasen. Am Schluss wirkt alles wie selbstverständlich, als könnte es gar nicht anders sein und als wäre das Bild die unmittelbare Niederschrift einer plötzlichen Beobachtung.

Grenzenlos, 2020, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Grenzenlos, 2020, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm Privatsammlung, Foto: Alexander Horn
Am Rhein, XIV, 2020, Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Am Rhein, XIV, 2020, Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm Privatsammlung, Foto: Alexander Horn
Am Rhein XXI, 2020, Acryl auf Leinwand, 120 x 150 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Tanja Vetter
Am Rhein XXI, 2020, Acryl auf Leinwand, 120 x 150 cm Foto: Tanja Vetter
Endlos, 20216, Öl auf Leinwand, 140 x 170 cm, Privatsammlung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021/ Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn
Endlos, 2016, Öl auf Leinwand, 140 x 170 cm Privatsammlung, Foto: Alexander Horn

Tanja Vetters Bilder wurden 2017/2018 in der Volkshochschule Heidelberg ausgestellt. Durchgängig sind diese Malereien von oben – teils sogar aus steiler Vogelperspektive – mit einem Abstand gegeben, der es erlaubt, die Gegend zu überblicken und so noch ihre Topographie klärt. Daraus ergeben sich Bildreihen wie etwa Auf Abwegen (2015–2017) mit einem schneebedeckten Berg mit Wanderern schon auf der Kuppe, erfasst in der Dämmerung. Das Licht ist essenziell für den Weißton, der von Bild zu Bild wechselt. Völlig anders ist die Stimmung bei Lazy Days (2017). Hier streift der Blick über einen Strand, der sich, umfangen von einem satten Grün, in perspektivischer Verkürzung nach links krümmt und dabei rasant in die Ferne entrückt. Die Menschen sind winzig und zierlich und eigentlich erst durch ihre Schatten definiert. So wie der Strand über Nuancen des Fahlen verfügt, so ist das Wasser, unterstützt von der weißen Gischt, in seinen Blautönen abgestuft. Dazu wirken der Grund unter der Wasserfläche und das Licht auf der Wasseroberfläche mit. Tanja Vetter schildert auch hier eine eigentlich lapidare, vertraute Situation im genauen Hinsehen. Sie objektiviert in der sachlichen Wahrnehmung und thematisiert noch vorbehaltloses, überschauendes Sehen. Und doch bringt dies besondere Beobachtungen mit sich, etwa den visuellen Sog der Schaum-Schneisen und die fluchtende Präsenz der Strandläufer in ihren Bikinis und Badehosen, die ja schon für sich hinreißende Miniaturen sind. Allmählich stellt man fest, wie farbig das Bild ist und dass sich inmitten der teils verschatteten Grünpartien knallrote Flecken befinden und dass an einer Stelle des oberen Randes die Sonne so stark auf das Grün flutet, dass es als dreieckige Form hell zurückstrahlt. Im deutlichen Querformat als Ausschnitt angelegt, der geradezu unter den Füßen einsetzt (und dem Betrachter das schwindelnde Gefühl eines Riesen vermittelt), wird in diesem Bild unser Sehen in seiner Beschränktheit und seiner Übersicht untersucht und zum Thema der Malerei. Das zentrale Sujet aber ist die elementare Natur mit ihren Erscheinungsformen, die viel differenzierter sind als die künstlich gesetzten Farben unserer Zivilisation. Tanja Vetter antwortet darauf mit dem Vermögen einer Malerei, die zugleich das eigene Potential befragt. Ein weiteres Beispiel dafür ist das Bild Endlos (2016), das in der kippenden Perspektive und der Starrheit der Figuren auf den Farbschollen wie ein abstrakt tachistisches Bild wirkt. Doch auch hier, in dieser szenischen Beiläufigkeit: Es geht um die Substanz der Natur und um ihr Farbspiel – und wie wir uns, mit unserer städtischen Prägung und dem auf die Nähe hin konditionierten Sehen, wie zum ersten Mal in dieser bewegen und in ihr vergewissern: wie Kinder.

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Profile

Tanja Vetter wurde 1973 in Pforzheim geboren und studierte nach einem Sprachstudium in Heidelberg an der Freien Kunstakademie Mannheim Freie Kunst.

Seit 2002 arbeitet die diplomierte Künstlerin in ihrem Atelier in Ludwigshafen am Rhein und hat ihre Werke in zahlreichen Einzel-und Gruppenausstellungen im In- und Ausland gezeigt, u. a. in Berlin, München, Rumänien oder Frankreich. Ihre Arbeiten sind in vielen privaten Sammlungen weltweit vertreten.

[Foto: © Tanja Vetter, Foto: Alexander Horn]

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