Buchtipp

Sozialistische Moderne

Für seinen Fotoband reiste Roman Bezjak immer wieder mit seiner Großbildkamera gen Osten von Halle bis nach Tiflis. Dort suchte er in den ehemals sowjetisch dominierten Gebieten nach Überresten einer Beton-Architektur, die er „Socialist Modernism“ nennt.

Während der Westen den zu Stein gewordenen Zeugen von Planwirtschaft und sozialistischer Moderne mit Skepsis begegnet, wirft Roman Bezjak (* 1962 in Slowenien) einen unvoreingenommenen Blick auf die Architektur des Kommunismus. Nach preisgekrönten Fotoreportagen für GEO und das Frankfurter Allgemeine Magazin konzentrierte der Künstler seine Reisetätigkeit von 2005 bis 2010 auf Ost- und Südosteuropa.

Mit der Großbildkamera fotografierte er Wohnungsbauten, funktionale Einrichtungen, Hotels und Kulturpaläste an vertrauten und fremden Orten von Tallin bis Tirana, von Dresden bis Dnjepropetrowsk. Sichtbar werden ein überschießendes, utopisch besetztes Formenvokabular ebenso wie eine global anmutende Monotonie des Bauens. In Serien entsteht eine Art Archäologie der Nachkriegsmoderne ohne ostalgische Verklärung, denn auch die Abnutzung der Utopie und ihre Ankunft im Alltag werden sichtbar. So hält die Publikation eine vom Abriss bedrohte Welt fest, die teilweise, etwa im Fall des Palasts der Republik in Berlin, schon nicht mehr existiert

Bezjaks Fotografien vergleichen und kategorisieren nicht. Bei den Bildangaben stehen bloße Informationen wie etwa der Standort und die Funktion des Gebäudes im Mittelpunkt, das Baujahr und der Name des ausführenden Architekten werden überhaupt nicht erwähnt. Architektur ist in den Bildern stets Teil des historischen Zusammenhangs, in dem Erfahrung und Zeitlichkeit von zentraler Bedeutung sind. Gleichzeitig sind sie immer als Teil eines sozialen Gefüges zu erkennen. Seine Motivation erklärt der im ehemaligen Jugoslawien geborene und in Deutschland aufgewachsene Fotograf aus seiner Biografie, die „zu einer grundsätzlichen Empathie gegenüber östlichen Gesellschaften führt und auch zu einem Verständnis für die Zeit, in der die Bauten entstanden, in der die Utopie noch nicht ganz von der Wirklichkeit eingeholt war. Schwermut scheint einigen der Gebäude eingeschrieben zu sein, vielleicht ein Verweis auf das Scheitern, nicht nur der Gebäude selbst, sondern auch der dahinterstehenden Programmatik.“

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